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PRAG
Gaucks Reise in die Vergangenheit
Beim Staatsbesuch in Tschechien: Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt besuchen die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Theresienstadt.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa | Beim Staatsbesuch in Tschechien: Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt besuchen die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Theresienstadt.
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:12 Uhr

Der Besuch in Theresienstadt war Pflicht für Joachim Gauck, die Konfrontation mit der Vergangenheit ist ihm mehr als wichtig. „Ich will zeigen: Das sind heute andere Deutsche“, sagt er vor den Gräbern des Ghettos und Konzentrationslagers.

Da hat er gerade die Hinrichtungsstätte gesehen, an der Tausende zu Tode kamen, und die Zellen, in denen gehungert und gestorben wurde. Gauck will im Ausland ein Deutschland repräsentieren, das anders ist als das Land, das vor 75 Jahren Vernichtung und Tod über seine Nachbarn gebracht hat.

Dieses Deutschland erinnert sich an Schuld und Verbrechen. Dafür steht der Bundespräsident Gauck. Auch am Vormittag in der ehrwürdigen Karls-Universität in Prag ist er sich der historischen Dimension bewusst. Deutsche, Tschechen, Juden haben diese Stadt und ihre Universität geprägt, auch Katholiken und Hussiten. Hier ist Europa, mehr als anderswo. Und mehr als sonst in Europa sind hier die historischen Brüche sichtbar, die bis heute mächtig sind.

1945 – 1968 – 1989: Verbrechen der Nazis, Unterdrückung durch den Kommunismus, die Hoffnungen des Prager Frühlings, schließlich die Überwindung der Spaltung Europas. Der Staatsbesuch des Bundespräsidenten in Tschechien ist eine Reise in die Vergangenheit, aber die aktuellen Sorgen reisen mit. Die Lage in der Ukraine und das schwierige Verhältnis zu Moskau bestimmen mehr als geplant die Gespräche Gaucks mit dem tschechischen Präsidenten Milos Zeman, mit Regierungschef Bohuslav Sobotka und anderen.

Bereits zum zweiten Mal in seiner Amtszeit ist Gauck in Prag. Der europafreundliche Zeman ist dabei ein einfacherer Gastgeber als der frühere Präsident Vaclav Klaus, der den Bundespräsidenten 2012 empfing. Zeman will die Tschechische Republik enger an die EU heranführen und den Euro übernehmen. Ob dies die komplizierte innenpolitische Lage zulässt, ist eine andere Frage.

Bei seinem ersten Besuch in Prag als Staatsoberhaupt hatte Gauck sich darauf konzentriert, die historische Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus hervorzuheben. In Lidice gedachte er der dort von den Nazis ermordeten Kinder. Das Thema Vertreibung streifte er nur. Deshalb war erwartet worden, dass diesmal das Schicksal der rund drei Millionen Sudetendeutschen, die 1945 die Tschechoslowakei verlassen mussten, größeren Raum einnehmen würde.

In der Delegation des Bundespräsidenten befand sich auch Helmut Eikam, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Seliger-Gemeinde, in der Vertriebene organisiert sind, die einst Widerstand gegen die Nazis leisteten. Aber Gauck beließ es auch diesmal bei kurzen, wenn auch eindeutigen Sätzen zum Thema. Er nannte „Flucht, Vertreibung, Zwangsaussiedlung, ethnische Säuberung“ beim Namen, warb aber auch für ein differenziertes Geschichtsbild. Damit will Gauck seine Gastgeber ermutigen, die selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte anzugehen.

Dieses Deutschland, dessen Präsident Gauck seit etwa zwei Jahren ist, ist das „gute Deutschland“, das sich mit seiner furchtbaren Geschichte auseinandergesetzt hat, selbstkritisch, mit Scham, Trauer und Reue, und dadurch ein anderes Deutschland geworden ist, bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Das ist die Botschaft Gaucks in diesem Jahr der Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914, des Zweiten Weltkriegs 1939 und an den Fall der Mauer 1989. Deshalb wird er in diesem Jahr noch mehrere Reisen in die Vergangenheit unternehmen, nach Polen und Frankreich, Belgien, und auch nach Tschechien wird er wiederkommen.

Eine Reise allerdings, die lange vorbereitet wurde, wird es nicht geben: den Besuch in Moskau. Das ist durch den Konflikt um die Ukraine ganz und gar unmöglich geworden, wie es in Gaucks Umgebung heißt.

 
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