Die erste Auslandsreise als Bundespräsident war für Joachim Gauck ein Besuch bei Freunden und Gleichgesinnten. „Meine Entscheidung kam aus dem Herzen“, sagte Gauck am Dienstag in Warschau. Er wies jeden Gedanken an politisches Kalkül von sich, er sei nur wegen der französischen Präsidentenwahlen nicht zuerst nach Paris gefahren. Gauck gilt in Polen als Mann mit moralischer Integrität.
In Polen war Gauck schon vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten – erst vor vier Wochen in Lodz und davor als Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde. Damals hatte er mit Politikern und ehemaligen Bürgerrechtlern über den Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit diskutiert.
Auch der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski kommt aus der polnischen Bürgerrechtsbewegung. Den Pastor aus der ehemaligen DDR und den Historiker aus einer polnisch-litauischen Adelsfamilie verbindet die Erfahrung mit Spitzeln, Unterdrückern und der Kampf für die Freiheit.
Nicht nur Komorowski lächelte zufrieden, als Gauck bei der gemeinsamen Pressekonferenz Polen als „das europäische Land der Freiheit“ würdigte und betonte: „Ein Liebhaber der Freiheit wird sich immer dort willkommen fühlen, wo die Freiheit zu Hause ist.“ Es seien die Polen gewesen mit ihrem Aufbegehren, ihrem Kampf und ihrer Gewerkschaft Solidarnoœæ, die den Menschen in der DDR Mut gemacht hätten. „Wollen wir weiter Untertanen sein, oder wollen wir es wagen und Bürger sein?“
Es war ein neuer Ton des neuen Bundespräsidenten. Bei den Besuchen seiner Amtsvorgänger hatte noch das dunkelste Kapitel deutsch- polnischer Geschichte die Begegnungen geprägt. Doch vieles, angefangen von den Entschädigungen für ehemalige Zwangsarbeiter im „Dritten Reich“ bis hin zum Streit um ein Zentrum gegen Vertreibungen, ist mittlerweile entweder geregelt oder wird zumindest nicht mehr hoch emotional diskutiert. So war es diesmal die allerjüngste deutsch- polnische Vergangenheit, die das erste Treffen voller „Wärme und offener Arme“ prägte.
Von der Brutalität der Nazi-Besatzung in Polen sprach auch Gauck. Doch vor allem ging es um Gegenwart und Zukunft. Hierbei wollen die beiden Präsidenten auf die junge Generation setzen.
Selbst den gemeinsamen Besuch eines deutsch-polnischen Rockkonzerts schlug Komorowski (59) vor – was Gauck (72) zu einem Scherz über das Alter des polnischen Präsidenten veranlasste.
Mit einem ganz besonderen Geschenk erinnerte Komorowski seinen Gast an die gemeinsame Vergangenheit in der Bürgerrechtsbewegung: Ein Plakat mit Gary Cooper als einsamem Sheriff vor dem Solidarnoœæ- Schriftzug, mit dem die polnischen Bürgerrechtler 1989 in den Wahlkampf zogen. „Aber dann hat die Geschichte gezeigt, dass der einsame Kämpfer auch auf Freunde zählen kann“, sagte Komorowski und erinnerte an die vielen Solidaritätsbekundungen aus beiden deutschen Staaten für den polnischen Freiheitskampf.
Angesichts des Geschenks, das Komorowksi nicht als polnisches Staatsoberhaupt, sondern „für die Solidarnoœæ-Bewegung“ übergab, konnte Gauck sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Dieses Plakat hängt bei mir schon in der Wohnung.“ Es habe ihn einst wie viele DDR-Bürgerrechtler inspiriert. Doch überflüssig sei das Geschenk keineswegs: „Dann kommt ein Plakat in die Wohnung, und eines ins Amt.“