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BERLIN
Gastbeitrag: Journalisten müssen lästig sein
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 25.01.2014 10:54 Uhr

Sind Medien und Kirche „ziemlich beste Freunde“, die wie in dem gleichnamigen Film ruppig, aber ehrlich miteinander umgehen, oder Partner, die sich immer nur zärtlich in die Augen sehen? Ein spannungsfreies Verhältnis zwischen zwei so großen Aktivposten der Gesellschaft?

Davon träumen nur enge und kleine Geister. Wir leben in Europa. Schon die alten Griechen hatten eine Hochkultur des Streitens. Interessante Fragen wurden im öffentlichen Diskurs erörtert. Öffentlichkeit entsteht, wenn man sie beansprucht; sie entsteht, wenn Bürger ihr Haus verlassen und auf Straßen und Plätzen ihre Meinung sagen. Tun sie das nicht, dann schrumpft sie und verschwindet. An ihre Stelle treten dann die bloßen Verlautbarungen der Obrigkeit. Freie Medien sind nicht eine Veranstaltung für die demokratische Gesellschaft, sondern eine Veranstaltung der demokratischen Gesellschaft.

Der offene und freie Diskurs bringt die „res publica“ in Schwung. Er erzeugt einen Reichtum an Alternativen. Man kann die bessere wählen. Medien suchen Kontrast und Spannung. Ja, Journalisten sind lästig. Sie müssen es von Berufs wegen sein. Journalisten fragen nach, haben wenig Ehrfurcht vor Ämtern und Würden. Aber wenn sie ihren Job professionell und verantwortlich tun, sind sie unverzichtbar für die offene Bürgergesellschaft.

Zentrale Aufgabe der Medien ist die umfassende Versorgung mit Informationen. Sie vermitteln das notwendige Wissen für die Willensbildung und ermöglichen so die Teilnahme der Bürger am politischen und gesellschaftlichen Leben. Medien haben zudem eine Kritik- und Kontrollfunktion. Sie nehmen wichtige Vorgänge und das Tun von Machtträgern unter die Lupe. Derzeit gibt es mindestens einen Bischof in Deutschland, der sich wünschte, es wäre anders.

Lebendige Einrichtungen leben von Spannungen. Das gilt nicht zuletzt für die Kirchen. Sie sind streitbare Gebilde, und zwar von Anfang an. Jesus selbst war bekanntlich kein „Weichspüler“. Er ging keinem Konflikt um die Wahrheit aus dem Weg. Seine Geschichten kehrten das Unterste zuoberst und verstörten die Zeitgenossen. Seine Randale im Tempel war nicht ohne, und das Ganze endete am Kreuz. Einen solchen kann man nicht als Glanzbildchen ins Gesangbuch stecken.

Medien und Kirchen haben gemeinsame Aufgaben, denn sie kümmern sich um ein und denselben Menschen – wenn sie’s denn tun. Sie begegnen uns überall – Menschen mit ihren Schicksalen, Interessen, Prägungen und Leidenschaften. Was treibt sie um? Der Kündigungsbrief im Postkasten, der Lottobescheid, die jüngste Geburts- oder Todesanzeige, das „Tor des Monats“? Medien und Kirchen müssen sich – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – gleichermaßen fragen: Interessieren uns diese Leute? Wollen wir, dass sie sich besser in dieser Welt zurechtfinden? Geben wir ihnen etwas Überblick und Atemluft? Gehen wir auf die Leute zu oder auf sie los?

Medienmacher erleben Versuche kirchlicher Einflussnahme. Aber das tun andere Interessengruppen auch. Die Presseämter der Diözesen gelten nicht als enthemmt auskunftsfreudig. Informationen sind manchmal Fastenspeise. Sie gelten als Gnadenakt, den man sich erst durch Wohlverhalten verdienen muss.

Kirchliche Würdenträger geben sich vor Mikrofon und Kamera oft liebenswürdig ungeübt. Sie denken und sprechen in der Kategorie einer mittleren Sonntagspredigt. Sie brauchen eine gewisse Zeit, um auf den Punkt zu kommen. Wehe aber dem Journalisten, der dann nur diesen Punkt heraushebt, weil er gerade mal drei Minuten Sendezeit hat! Insgesamt fehlt es oft an apostolischem Mut, franziskanischer Milde, dominikanischem Durchblick, jesuitischer Schläue und der Geduld des Säulenstehers Simeon. Unnötig zu sagen, dass hastige und heftige Journalisten von solchen Tugenden ebenfalls viel zu lernen hätten. Schwierig wird es immer mit ironischen Formen wie Parodie und Satire. Sie gelingen nur selten.

Es ging nicht um Kleinigkeiten, die die katholische Kirche in den Medien schlecht erscheinen ließ und lässt. Sexueller Missbrauch von Kindern, die Abweisung eines Vergewaltigungsopfers, die Empörung über den Limburger Bischof. Wenn dann die Berichterstattung von hohen kirchlichen Würdenträgern als Katholikenphobie oder Erzeugen von künstlicher Wut und Pogromstimmung bezeichnet wird, dann zeugt das weder von Augenmaß noch von Souveränität.

Statt sich und anderen einzureden, die katholische Kirche sei Opfer böser Medienmächte, sollte man sich lieber bemühen, durch eine Strategie der Offenheit und des Verständnisses das Vertrauen der Medien und der Mitmenschen zu gewinnen. Wie man das schafft, macht Papst Franziskus mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen vor.

Der amerikanische Präsident Bill Clinton galt als der größte Kommunikator der letzten Jahrzehnte. Er ist nun von Papst Franziskus abgelöst worden. Er hat die Medien, mit denen sich die katholische Kirche so schwer tat und vielerorts noch tut, im Handumdrehen gewonnen. Seitdem er im Amt ist, kommen aus dem Vatikan Botschaften, auf die die Welt gewartet hat. Nicht alles, was Franziskus sagt, wird kritiklos hingenommen. Aber die Klarheit und Kraft seiner Aussagen finden Respekt und Sympathie. Sie entziehen hämischen Kommentaren den Boden. Wagenburgmentalität und Geheimniskrämerei sind von gestern. Aber gerade hohe Würdenträger der katholischen Kirche machen durch Wort und Tat den Eindruck, als ob sie davon nicht lassen wollen. Zum Nachteil der Kirche! Ich kann als Journalist nur den Rat geben: Wenn etwas schiefläuft, und davor ist niemand gefeit, dann sollte man es erst gar nicht mit Verschleierung versuchen. Diese Taktik verlängert nur die Leidenszeit.

Kirche und Medien. Ich will nicht wegbügeln, dass es schmerzhafte Verletzungen gibt. Was sich in manchen Artikeln, Sendungen und neuerdings im Internet als Satire gebärdet, ist oft nichts weiter als die plumpe Verhöhnung religiöser Symbole. Das ist schwer erträglich und Bedarf der Aufarbeitung nicht durch den staatlichen Büttel oder eine Zensurbehörde, sehr wohl aber durch ein mutiges und offenes Streit-Gespräch der Gesellschaft.

Fritz Pleitgen

Der 75-jährige gebürtige Duisburger gilt als einer der profiliertesten Fernseh-Journalisten Deutschlands. Von 1995 bis 2007 war Pleitgen Intendant des Westdeutschen Rundfunks, Köln. Einem großen Publikum bekannt wurde er durch seine langjährige Tätigkeit als TV-Korrespondent in Moskau, Washington und in Ost-Berlin. Der Protestant war in dieser Woche Festredner beim Neujahrsempfang der Diözese Würzburg. Sein Thema: „Kirche und Medien – ziemlich beste Freunde?“. Wir dokumentieren die Rede in Auszügen.

 
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