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WÜRZBURG/BERLIN
Gas und Geschäfte: Wie geht's weiter mit Russland?
Michael Deppisch
Michael Deppisch
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:33 Uhr

0049 9352 – das ist die internationale Vorwahl von Lohr. In den Büros in der Tschschjolkowskoje Chaussee 100 in Moskau kennt man sie gut: Denn hier residiert die russische Tochter der Lohrer Bosch-Rexroth-Gruppe. Immerhin 120 Mitarbeiter beschäftigt der global tätige Maschinenbaukonzern aus Mainfranken in Russland – ein wichtiger Markt mit Wachstumschancen.

Bislang. Doch mit der Ausweitung der Krim-Krise zum echten Konflikt mit Moskau wächst in der deutschen Wirtschaft die Sorge vor einer Eskalation – und vor Boykotten. Vor weiteren Wirtschaftssanktionen allerdings warnt im Interview mit dieser Zeitung Ex-Bundeswirtschaftsminister Michael Glos: „Es gäbe auf beiden Seiten nur Verlierer.“ Russland sei ein wichtiger Partner Deutschlands, dies dürfe man nicht aufs Spiel setzen.

6200 deutsche Unternehmen exportieren nach Russland oder haben dort in eigene Werke und Niederlassungen investiert. Siemens macht glänzende Geschäfte mit Hightech, ebenso die noblen deutschen Autobauer. Und der fränkische Sportartikelgigant Adidas betreibt in Russland an die 1000 Läden. Ein Milliardenmarkt – an dem auch einige mainfränkische Unternehmen teilhaben.

130 mainfränkische Unternehmen

Neben Bosch-Rexroth sind etwa auch die Knauf-Gruppe aus Iphofen – mit 14 eigenen Werken – oder der Moderiese s. Oliver aus Rottendorf in Russland vertreten. Auch der Druckmaschinenpionier Koenig & Bauer hat eine russische Tochtergesellschaft: Im Oktober feierte man in Radebeul deren zehnjähriges Bestehen. Insgesamt sind etwa 130 mainfränkische Unternehmen laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt im Russlandgeschäft tätig. Für sie wären Wirtschaftssanktionen, „sehr schädlich“, sagt IHK-Außenhandelschefin Marion Oker gegenüber dieser Zeitung. So könnten Behinderungen bei der Zollabfertigung dazu führen, dass Exporte nach Russland ins Stocken kommen.

Vor Sanktionen warnt auch IHK-Chef Ralf Jahn. „Harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland“, sagte er dieser Zeitung, hätten nicht nur für die dortige Bevölkerung und Wirtschaft erhebliche Auswirkungen, „sondern auch auf Unternehmen und Arbeitsplätze in Mainfranken“. Jahns Appell an die Politik: „Wir brauchen eine politische Lösung mit Augenmaß – Deeskalation statt weiterer Verschärfung des Konflikts.“

Gasversorgung sichergestellt

Vielen Deutschen aber macht ein anderes Thema Sorgen: die Energieversorgung. „Wir machen uns natürlich auch Gedanken“, sagt Thomas Merker, Geschäftsführer der Gasversorgung Unterfranken (gasuf). Doch nach einer ersten Unsicherheitsphase lägen die Preise an der Börse derzeit sogar leicht unter denen bei Ausbruch der Krise. „Der Markt“, so Merker, „nimmt es gelassen.“ Zudem habe Deutschland enorme Gasreserven und der milde Winter habe dafür gesorgt, dass die Speicher noch voll seien. Die Versorgung sei gesichert, denn es gebe zudem genug Alternativen, so dass auch ein eventueller Lieferengpass auszugleichen wäre.

Umfrage: Deutsche gegen Wirtschaftssanktionen

Nach der Annexion der Krim durch Russland und dem wieder aufgeflammten Ost-West-Konflikt sehen die deutschen Bürger eine Aufnahme der Ukraine in die EU skeptischer: In einer Umfrage für den „stern“ sprachen sich 57 Prozent gegen einen Beitritt des Landes in die Gemeinschaft aus. Nur knapp jeder Dritte (32 Prozent) befürwortet jetzt eine EU-Mitgliedschaft. Ende Februar hatten sich in einer „stern“-Umfrage noch 49 Prozent gewünscht, dass die Ukraine eines Tages EU-Mitglied wird. Nur 36 Prozent hatten dies damals abgelehnt.

Die Mehrheit der Deutschen ist laut der aktuellen Umfrage gegen weitere Wirtschaftssanktionen gegenüber Moskau: Nur 27 Prozent fänden das gut, fast zwei Drittel (63 Prozent) sind dagegen. Die vom Westen verhängten Reiseverbote gegen mehrere führende Personen aus Russland sowie die Kontosperren stoßen bei den Bundesbürgern auf ein geteiltes Echo – 44 Prozent halten dies für richtig, 45 Prozent für falsch. Das Forsa-Institut befragte vor einer Woche im Auftrag des Hamburger Magazins 1002 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger. Text: md

 
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