In den letzten Tag gab es immer wieder Nachrichten über Erdrutsche. Wir haben mit Birgit Terhorst, Professorin für Physische Geografie und Bodenkunde der Uni Würzburg, gesprochen. Sie beschäftigt sich mit Erdrutschen aus wissenschaftlicher Sicht.
Birgit Terhorst: Der lang anhaltende Niederschlag in letzter Zeit hat dazu geführt, dass Hangbereiche zum Teil sehr viel Wasser aufgenommen haben. Da ist die Grenze ganz schnell erreicht, wie viel Wasser ein Hang aufnehmen kann. Die tonige Erde und die große Wassermenge führen dann dazu, dass gerade alte Rutschmassen in Bewegung geraten. Alte Rutschmassen sind Ablagerungen, die sich schon einmal durch Hangbewegungen abgelöst haben. Auch kann es sein, dass es innerhalb alter Rutschgebiete zu kleineren Nachbewegungen kommt. Es muss nicht immer die gesamte Masse absacken.
Terhorst: Nein, in dieser Jahreszeit treten Erdrutsche nicht besonders häufig auf. Unsere Hauptsaison ist normalerweise Februar und März, nämlich immer dann, wenn die Schneeschmelze einsetzt. Wenn der Schnee im Frühjahr schnell schmilzt und die Hänge durch den Winter sowieso schon mit Wasser gesättigt sind, kommt es zu Erdrutschen.
Terhorst: Bisher gab es bezogen auf die bayerischen Mittelgebirge nur kleinere Rutschungen, wenn der Mensch in die Natur eingegriffen hat. Die großen Erdrutsche haben andere, natürliche Ursachen. Da ist dann, wie gesagt, viel Wasser im Hang. Und auch die Disposition eines Hanges ist entscheidend: Also, wie steil der Hang ist, wie er geologisch aufgebaut ist, ob es Quellaustritte gibt und wie der Hang unterschnitten ist. Das kann zum Beispiel durch einen Fluss passieren. Der Fluss kann einen Hang anschneiden und ihn in der Folge versteilen. Man kann jedoch nicht generell sagen, dass das Risiko für einen Hangrutsch steigt, je steiler der Hang ist. Es sind auch schon ganz flache Hänge gerutscht.
Terhorst: Das Material des Hanges. Im Mittel- und Unterbereich des Hanges gibt es sehr tonige Schichten, gerade hier in Unterfranken. In der Fränkischen Alb, im Steigerwald oder an der Frankenhöhe kommen derartige geologische Schichten häufig vor. Dort sind dann auch die oberen Schichten in einem Hang durch hartes Gestein, wie etwa Sandstein, aufgebaut. Diese Schicht ist wasserdurchlässig. Das darunter liegende weichere, wasserstauende Gestein saugt sich dann mit Wasser voll, denn Ton kann auch Wasser aufnehmen. Sind die Hänge durchfeuchtet, gibt der Untergrund nach und die härteren Gesteine rutschen hangabwärts.
Terhorst: Große Schuttvorkommen, ein gestörtes Baumwachstum, Quellaustritte, Nassstellen und Risse im Hang können auf eine Hangbewegung hinweisen. Den genauen Zeitpunkt einer Rutschung kann man jedoch nie vorhersagen. Wir kartieren dort wo alte Rutschmassen liegen und beobachten diese Stellen dann gegebenenfalls genauer.
Terhorst: Wir erstellen sogenannte geomorphologische Karten, die Verbreitung, Auftreten und Formen von schon vorhandenen Rutschmassen darstellen. Für kleinere Gebiete erstellen wir Karten mit Geografischen Informationssystemen, die mögliche Gefährdungen berechnen. Diese Karten geben einen Hinweis darauf, ob ein Hang durch gewisse Einflüsse instabil werden kann. In unsere Gefährdungskarten fließen so viele Daten wie irgend möglich ein: Steilheit und Lage des Hangs, Feuchtigkeit, bodenphysikalische Werte. Auch das digitale Geländemodell hilft dabei. Dies ist, vereinfacht gesagt, ein Luftbild mit Höheninformationen, aus denen ein 3-D-Modell entwickelt wird, indem auch der Grad der Hangneigung abgelesen werden kann.
Terhorst: Ja, ein Mitarbeiter ist gerade nach Eltmann in den Ortsteil Dippach (Landkreis Haßberge) gefahren und schaut sich den Erdrutsch dort an. Wir führen eine Datenbank, in die wir alle Rutschungen aufnehmen. Offizielle, öffentliche Hinweiskarten gibt es nämlich noch nicht. Es gibt aber derzeit Planungen für öffentliche Karten.
Terhorst: Erdrutsche beeinträchtigen Straßen, in Wertheim (Main-Tauber-Kreis) ist Erde auf die Bahnlinie gerutscht. Beim Kloster Banz (Landkreis Lichtenfels) wurde eine Straße unterspült. An der Schwäbischen Alb sind ganze Wohnsiedlungen beeinträchtigt. So schlimm ist es in Franken nicht.
Birgit Terhorst
Seit November 2008 ist Birgit Terhorst Professorin für Physische Geografie und Bodenkunde in Würzburg. Hier untersucht sie Erdrutschungen und die Materialeigenschaften von Hängen. Ziel ist es, Ursachen für das Absacken der Hänge herauszufinden. Ihre fachlichen Schwerpunkte in Würzburg sind zudem Landschaftsentwicklung und -dynamik, Naturgefahren und Bodendegradation. Terhorst studierte Geografie, Geologie und Botanik an den Universitäten Marburg und Tübingen. Sie promovierte 1997 in Tübingen. Text: Jkn/FOTO: privat/BT