Auf seine Beamten lässt Bundesinnenminister Hans-Peter Fried-rich nichts kommen. „Dreist“ sei es, schimpft der Innenminister von der CSU, wie die Opposition versuche, Versäumnisse der rot-grünen Koalition nun einem seiner Mitarbeiter in die Schuhe zu schieben. Der heißt Hans-Georg Maaßen, wird im August neuer Chef des Verfassungsschutzes und hat vor zehn Jahren als Referatsleiter für Ausländerrecht im Innenministerium eine etwas unglückliche Expertise verfasst, in der er die Aufenthaltsgenehmigung des in Bremen geborenen und unschuldig in Guantánamo einsitzenden Türken Murat Kurnaz für verwirkt erklärte.
Der Vorwurf der Grünen Renate Künast, Maaßen solle erst vor seiner Haustür kehren, ehe er woanders sauber mache, bringt den sonst so zurückhaltenden Friedrich in Rage: „Das ist unglaublich!“ Für die Pannen im Fall Kurnaz sei zuallererst der damalige Außenminister Joschka Fischer verantwortlich und kein kleiner Referatsleiter. Dass Maaßen der richtige Mann für den heiklen Posten an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist, steht für Friedrich außer Frage: „Er ist ein ausgewiesener Experte, ein brillanter Jurist.“
- Vom Unterabteilungsleiter zum Krisenmanager des Verfassungsschutzes
Bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichtes an diesem Vormittag sitzt noch der scheidende Präsident Heinz Fromm neben Friedrich. Brisanter als der mehr als 300 Seiten dicke Überblick über die Aktivitäten von Links- und Rechtsextremisten, Wirtschaftsspionen oder Mitgliedern der Scientology-Sekte ist diesmal allerdings die Frage, was Politik und Verfassungsschutz aus dem Skandal um die Zwickauer Terrorzelle lernen. Zwar geht die größte Gefahr für das Gemeinwesen in Deutschland nach Fromms Worten noch immer von islamischen Extremisten aus. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten aber ist auch im vergangenen Jahr gestiegen – von etwa 9500 auf 9800. Angesichts dieser Entwicklung will Fromm nicht ausschließen, dass sich in der Szene Nachahmungstäter zu neuen, ähnlich skrupellosen Zellen zusammenschließen. Schon seit einiger Zeit beobachten die Verfassungsschützer von Bund und Ländern eine zunehmende Radikalisierung im braunen Milieu: Auf der einen Seite verlieren rechte Parteien und Vereine weiter an Mitgliedern – die, die bleiben, werden dafür aber umso radikaler.
Damit sich Ermittlungspannen wie im Fall des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ nicht wiederholen, wollen Friedrich und Fromms Nachfolger Maaßen den Verfassungsschutz kräftig umbauen. Dabei ist der Innenminister nun offenbar auch bereit, das gegenwärtige System mit einem Bundesamt für Verfassungsschutz, 16 Landesämtern und dem Militärischen Abschirmdienst zur Disposition zu stellen. Der Frage, ob kleinere Landesämter nicht zu größeren, schlagkräftigeren Einheiten zusammengelegt werden sollten, weicht er neuerdings jedenfalls nicht mehr so wortreich aus wie noch vor einigen Tagen. „Auch diese Möglichkeit“, sagt Friedrich nun, „muss man in Erwägung ziehen.“ Die beiden Landesämter in Bayern und Baden-Württemberg wird dies allerdings kaum betreffen – sie gelten in Sicherheitskreisen als gut aufgestellt.
Den Verfassungsschutz ganz abzuschaffen, wie es unter anderem die Linkspartei fordert, will Friedrich nicht. Auch wenn durch den NSU-Skandal viel Vertrauen in den Dienst verlorengegangen sei, so sei er als Frühwarnsystem doch unverzichtbar. Die Bedrohung Deutschlands durch Extremismus, Terrorismus und Spionage, warnt der Innenminister, nehme „eher zu denn ab“.
Außerdem habe der Verfassungsschutz in den vergangenen Jahren wertvolle Hilfe beim Enttarnen der sogenannten Sauerlandgruppe oder dem Verbot von Organisationen wie der salafistischen Vereinigung „Milatut Ibrahim“ geleistet. Heinz Fromm, der nach den Pannen im NSU-Skandal um seine Versetzung in den Ruhestand gebeten hat, sieht das ganz genauso. Der Extremismus, allen voran der islamistische, „ist eine permanente Gefahr“.
Hans-Georg Maaßen
Vom Unterabteilungsleiter Terrorismusbekämpfung im Bundesinnenministerium zum Krisenmanager: Hans-Georg Maaßen, ein Mann aus der vierten Reihe der Ministerialbürokratie wird zum 1. August Chef des Bundesverfassungsschutzes. Maaßen ist für die breite Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt. Vielen Abgeordneten ist der 1962 in Mönchengladbach geborene Jurist allerdings nicht ganz unbekannt. 2007 sagte er zweimal vor dem BND-Untersuchungsausschuss aus. Das Gremium hatte auch zu klären, ob die Bundesregierung mitverantwortlich dafür war, dass der in Deutschland geborene Türke Murat Kurnaz unschuldig im US-Gefangenenlager Guantánamo einsaß.