Der zähe, geduldige Vermittler Jimmy Carter – sogar ein Theaterstück hat man ihm inzwischen gewidmet. „Camp David“, eine Erinnerung an das 13-Tage-Drama am idyllischen Landsitz des amerikanischen Präsidenten, das mit einem Friedensschluss für die Geschichtsbücher endete, dem Abkommen zwischen Ägypten und Israel.
In der schönsten Szene balanciert First Lady Rosalynn ein Tablett mit Keksen und Tee auf die Terrasse, wo die Protagonisten sitzen, während sie in gespielter Ahnungslosigkeit fragt: „Na, wie geht‘s voran mit dem Friedenstiften?“
Es ging überhaupt nicht voran. Ägyptens Anwar el Sadat und der Israeli Menachem Begin hatten sich gerade so heftig gestritten, dass den Verhandlungen der Abbruch drohte. Und Jimmy Carter, der Mann in der Mitte, begriff, dass er selber einen Plan zu Papier bringen musste, statt Sadat und Begin machen zu lassen, denn von allein hätten sich die beiden auf gar nichts geeinigt. Barack Obama, gab er unlängst zu verstehen, hätte sich aktiver einschalten müssen, als sein Außenminister John Kerry zwischen Israelis und Palästinensern hin und her pendelte, dann wären die Gespräche vielleicht nicht gescheitert.
Carter wird am 1. Oktober 90 Jahre alt, aber von Altersmüdigkeit ist nichts zu spüren. Kein anderer Ex-Präsident, einmal abgesehen von Bill Clinton, kommentiert das Weltgeschehen so ausführlich, so regelmäßig wie er.
„Ja, wir müssen den Islamischen Staat angreifen, es geht um eine Bedrohung für die gesamte Region“, sagte er, nachdem Obama den IS-Rebellen den Krieg erklärt hatte. Nur mache sich keiner Illusionen über die Stärke der moderaten syrischen Opposition, auf die Washington auf einmal setze.
„Der beste Ex-Präsident, den es je gab“, wird Carter, 2002 geehrt mit dem Friedensnobelpreis, genannt. Seine Stiftung hat den parasitären Guineawurm in Afrika erfolgreich bekämpft, sie hat die Flussblindheit zurückgedrängt und fast drei Millionen Toiletten aufgestellt, um die Hygiene zu verbessern. „Die Leute reden immer vom Frieden zwischen Israel und Ägypten, dabei bin ich als Latrinenbauer doch längst viel bekannter“, witzelt der Veteran.
Seit er 1982 sein Zentrum gründete, ließ er in mehr als 80 Ländern Wahlen beobachten. Manchmal sorgt er schon dann für Aufsehen, wenn er ankündigt, es in diesem oder jenem Fall nicht zu tun.
An seiner Präsidentschaft dagegen scheiden sich die Geister. Als Carter 1977 ins Oval Office einzog, war er der Idealtyp des Seiteneinsteigers, wie ihn Amerikaner so glühend verehren. Er fuhr auf U-Booten der Kriegsmarine und baute Erdnüsse an, ehe er sich mit 38 Jahren erstmals um ein politisches Amt bemühte, um einen Sitz im Bundesstaatensenat von Georgia. Der Nobody aus der Provinz versprach, dem Watergate-Skandal eine Phase bedingungsloser Ehrlichkeit folgen zu lassen. Während der vier Carter-Jahre zwang der Ölpreisanstieg zu unpopulären Appellen an die Sparsamkeit, marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein, saßen amerikanische Diplomaten in Teheran 444 Tage in Geiselhaft, endete die Kommandoaktion, die sie befreien sollte, mit einem Fiasko. Den Republikanern gilt Carter daher bis heute als Inbegriff amerikanischer Selbstzweifel. Aber auch die Spitzenleute der Demokraten meiden den Parteifreund. Der wiederum tut so, als würde ihn das alles nicht treffen.