Die katholische Kirche ist beinahe 2000 Jahre alt. Große Veränderungen tragen sich in dieser Institution nur mühsam innerhalb von Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten zu. Angesichts dieses historisch und dogmatisch bedingten Schneckentempos, ist Papst Franziskus in den ersten hundert Tagen seines Pontifikats mit der Geschwindigkeit eines Formel-1-Piloten durch den Vatikan geprescht.
Jorge Mario Bergoglio wurde am 13. März gewählt. Sein erster großer und ganz persönlicher Erfolg für die Kirche ist, dass er einen inneren Klimawandel herbeigeführt hat. Noch vor Monaten mussten sich Katholiken für die Verhältnisse im Vatikan schämen, der Vatileaks-Skandal um vom Schreibtisch seines Vorgängers gestohlene Geheimdokumente bestätigte die antiklerikale Welt in ihrer Abscheu gegenüber den Verhältnissen in Rom.
Heute sind nicht wenige Gläubige wieder stolz auf den Papst, sie müssen sich nicht mehr rechtfertigen für ihren Glauben. Auch Nicht-Katholiken interessieren sich plötzlich für diesen unkonventionellen Mann aus Buenos Aires. Nach den für die Außendarstellung der Kirche verheerenden Jahren mit Benedikt XVI. ist mit Franziskus die beste, spontane PR-Kampagne im Gang, die sich die Pressestelle des Vatikans je hätte ausdenken können.
Einer soeben veröffentlichten Umfrage eines angesehenen italienischen Meinungsforschungsinstituts zufolge bewerten 85 Prozent aller Italiener das Wirken des neuen Papstes als positiv. Unter den Katholiken sind es sogar 96 Prozent.
Bergoglios unkonventionelles Auftreten ist längst Programm. Seine Entscheidung, weiterhin im viel besuchten Gästehaus Santa Marta und nicht im Apostolischen Palast zu leben, ist klug. Benedikt etwa wurde die Isolation mit zum Verhängnis, Franziskus behält, so scheint es, bislang den Überblick.
Das größte Anzeichen dafür, dass Franziskus Veränderungen in der Kurie anstrebt, ist die Berufung einer achtköpfigen Kardinalskommission, die erstmals im Oktober zusammenkommen wird. Zu ihr gehört der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, koordiniert wird die Beratergruppe vom Caritas-Chef Oscar Rodriguez Maradiaga. Der ist ein Gegenspieler des lange Zeit mächtigen Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone, der für viele Missstände verantwortlich gemacht wird. Die aus seiner Sicht richtigen Leute an den richtigen Stellen zu platzieren, ist die vornehmliche Aufgabe des Papstes in den ersten Wochen. Franziskus nutzt seine Möglichkeiten.
Gleichwohl darf man vom Papst aus Argentinien keine inhaltliche Revolution der Kirche erwarten, im Gegenteil. Die Berufung der Kommission sowie die Betonung des Gedankens der Kollegialität deuten zwar auf eine Dezentralisierung hin. Die Weltkirche, die Bischöfe werden unter Franziskus mehr zu melden haben, Rom und der Vatikan könnten in einigen Fragen weniger einflussreich werden als bisher. Was aber die dogmatische Linie angeht, steht Franziskus in absoluter Kontinuität seiner Vorgänger. In Fragen wie Abtreibung, Zölibat oder Homosexualität folgt er der katholischen Doktrin. Damit wird Franziskus auch einige Hoffnungen enttäuschen.