Sie war eine jener Persönlichkeiten, die Frankreichs Kultur und Show-Business über Jahrzehnte hinweg begleiteten, ihre Kunst den jeweiligen Trends und Strömungen anpassten und damit als Dauer-Ikonen irgendwie immer da waren. Das ist nun nicht mehr der Fall: Im Alter von 70 Jahren ist die Sängerin France Gall gestorben. Die schwindelerregenden Höhen und Tiefen ihres Lebens hatte die Presse stets mitverfolgt, auch wenn es schon lange ruhig um sie geworden war. Dass sie seit zwei Jahren an Krebs litt, wussten nur wenige. Sie starb in einem Krankenhaus bei Paris.
War France Gall in Frankreich für Hits wie „Résiste“ oder „Il jouait du piano debout“ bekannt, so kam der internationale Durchbruch mit dem Pop-Schlager „Ella elle l?a“. Indem sie auch in anderen Sprachen sang, exportierte sie den kindlich-naiven französischen Charme, der neben einer grellen, aber sofort wiedererkennbaren Stimme ihr Markenzeichen war. Das deutschsprachige Publikum betörte sie mit Chansons wie „Zwei Apfelsinen im Haar“ und „Der Computer Nr. 3“. Sie nahm auch an deutschen Schlager-Wettbewerben teil. Im Laufe ihrer Karriere wurde France Gall vom behüteten „Papa-Mädchen“ erst zur Muse von Serge Gainsbourg, der zahlreiche Hits für sie schrieb, und später vor allem ihres Mannes, des Sängers und Komponisten Michel Berger.
Erotische Anspielungen
Zum Star formte sie aber zunächst ihr Vater Robert Gall, der bereits Chansons für Édith Piaf und Charles Aznavour verfasst hatte. Er stand hinter ihrer Entscheidung, mit 15 Jahren die Schule abzubrechen und unter dem Namen France Gall – ihr eigentlicher Vorname lautete Isabelle – erste Lieder aufzunehmen. Schnell kam der Erfolg mit der Single „Ne sois pas si bete“ („Sei doch nicht so dumm“) – das schäkernde Katz- und Maus-Spiel zwischen Jungen und Mädchen, Männern und Frauen war oft Thema ihrer frühen, noch sehr simplen und eingängigen Stücke.
Erst später begriff sie dabei, dass sich der Sänger und Liedschreiber Serge Gainsbourg, damals selbst gerade am Beginn seiner Karriere, einen Spaß aus ihrem unschuldigen Auftreten machte und Chansons für sie mit doppeldeutigen erotischen Anspielungen garnierte. Das galt etwa für den Hit „Poupée de cire, poupée de son“, mit dem France Gall 1965 für Luxemburg den „Grand Prix Eurovision“ gewann, wie auch für „Les Sucettes“, übersetzt „Die Lutscher“.
Dass der Text nicht nur auf das Lutschen an süßen Bonbons bezogen werden konnte, führte zum Skandal – ganz nach dem Geschmack Gainsbourgs, nicht aber dem von France Gall. Sie schämte sich in Grund und Boden, wie sie später zugab.
Hatte sie während der Yéyé-Phase ihre musikalische Hoch-Zeit, so flaute der Erfolg in den 70er Jahren ab. Neuen Schwung bekamen ihre Karriere, aber auch ihr Privatleben durch die Begegnung mit Michel Berger. Er schnitt weiterhin eingängige Lieder auf ihre zarte, mädchenhafte Stimme zu, deren Texte nachdenklicher und ernsthafter wurden. So gelangen in den 80er Jahren reihenweise Hits wie „Musique“ oder „Cézanne peint“. Auch engagierte sich das Glamour-Paar im Kampf gegen Hunger in Afrika.
Mehrere Schicksalsschläge
Das Glück schien vollendet mit den Geburten von Tochter Pauline und Sohn Raphaël. Bis sie 1992 ein erster große Schicksalsschlag traf: Mit nur 44 Jahren starb Michel Berger während einer Tennispartie an einem Herzversagen. Zwar kehrte France Gall nochmals auf die Bühne zurück; zog sich aber fast völlig zurück in ihr Haus im Senegal, als fünf Jahre später ihre Tochter Pauline ihrer Mukoviszidose-Erkrankung erlag.
2000 trat sie nochmals gemeinsam mit Johnny Hallyday, einem anderen französischen Idol – der vor einem Monat gestorben ist – in der Musikhalle Olympia auf. Im Jahr 2015 feierte France Gall ein Comeback mit dem Musical „Résiste“, einer Hommage an Michel Berger, der großen Liebe ihres Lebens.