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PARIS
Frankreich: Kind, Karriere oder alles auf einmal?
Von unserer Korrespondentin Birgit Holzer
 |  aktualisiert: 19.10.2020 11:06 Uhr

Wie macht die Französin das nur? Mehrfache Mutter und Vollzeit berufstätig, bringt sie Berufs-, Familien- und Sozialleben gleichzeitig unter einen Hut. Und sieht dabei noch blendend aus. Das ist zumindest der Ruf der französischen Frauen, den die Statistiken bestätigen. Laut einer Studie des Pariser Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2011 arbeiten Französinnen häufiger ganztags als deutsche Frauen, auch mit kleinen Kindern: 40 Prozent der Mütter steigen nach weniger als einem halben Jahr wieder voll in den Beruf ein. „In Deutschland hingegen arbeitet bei mehr als der Hälfte der Paare mit Kindern unter sechs Monaten nur der Mann“, heißt es. Und auch danach sei ein Teilzeit-Posten der Regelfall.

Dass sich Französinnen weniger zwischen Kind oder Karriere entscheiden müssen, gilt als einer der Gründe für die hohe Geburtenrate von zwei Kindern pro Frau. Damit hängt auch ein vergleichsweise gut ausgebautes, staatlich gefördertes Netz von Betreuungsplätzen zusammen. Und nicht zuletzt gilt der Ausdruck „Rabenmutter“ als Fremdwort und die Fremdbetreuung bereits ab dem Säuglingsalter als normal – ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert, als Frauen des Bürgertums die Sitte der Adligen nachahmten, ihren Nachwuchs zu Ammen zu geben. Was damals ein Statussymbol war, ist heute zumindest normal – oder finanzieller Zwang. Der französische Staat fördert zwar kinderreiche Familien, aber nur sehr kurzen Erziehungsurlaub.

Doch es formiert sich eine Gegenbewegung, die für ein anderes Mutter-Modell eintritt: das einer „Maman“, die die Elternzeit trotz Einbußen verlängert, ausgiebig stillt, die Kinder mit ins Ehebett nimmt und waschbare Windeln verwendet. Das Eltern-Magazin „Grandir Autrement“ (GA), „Anders aufwachsen“, bewirbt diese Art einer „naturnahen“ Erziehung. „Meine eigene Mutterschaft hat meine Überzeugung über die Wichtigkeit gefestigt, sich um sich selbst, die Seinen und die Umwelt zu sorgen“, sagt Chefredakteurin Sophie Elusse. Das 2006 gegründete Magazin erklärt, wie Kinder am besten gleichzeitig und bis zum Alter von drei Jahren gestillt werden oder wie der Schulbeginn „ökologisch“ gemeistert werden kann.

Mehr stillende Mütter seit 1972

Frauen würden in Frankreich nicht zur Arbeit trotz junger Mutterschaft gezwungen, argumentiert eine französische Journalistin: „Sie haben es einfach immer gemacht.“ Die Ideen von „GA“ würden lediglich von einer Minderheit vor allem in Paris geteilt, der Hochburg einer „Öko-Elite“. Dass die Krankenhäuser massiv zum Stillen raten, begründe den Anstieg der stillenden Frauen von nur 31 Prozent im Jahr 1972 auf nun 69 Prozent direkt nach der Geburt. Nach drei Monaten gibt aber nur noch gut ein Drittel der jungen Mütter die Brust. Doch auch die Feministin Elisabeth Badinter warnt vor einem „ideologischen Krieg“, der berufstätigen Müttern, die die Flasche geben, Schuldgefühle einreden wolle. Vor einer reaktionären Still-Lobby, die im Namen eines angeblichen „Mutterinstinkts“ einen gesellschaftlichen Rückschritt vorbereite. Badinter, Autorin des Buches „Der Konflikt, die Frau und die Mutter“, kämpft dafür, dass die Französin ihrem Ruf weiterhin gerecht bleibt als eine, die alles gleichzeitig hat und will – aber auch ein stressiges Leben.

 
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