Er ist wieder da. Und es wirkt, als wäre er nie weggewesen. Am 17. Dezember kehrte Frank-Walter Steinmeier an den Schreibtisch im Auswärtigen Amt am Werderschen Markt zurück, an dem er schon zwischen 2005 und 2009 saß, und entfaltete gleich in seinen ersten Amtstagen einen derartigen Aktionismus, der vergessen ließ, dass er vier Jahre etwas völlig anderes gemacht hatte.
Der neue/alte Chefdiplomat der Republik brauchte keine Einarbeitungszeit, er knüpfte nahtlos da an, wo er nach der Wahlniederlage 2009 aufgehört hatte: Besuche in Paris, Warschau und Brüssel, eine Reise zum neuen EU-Ratspräsidenten Antonis Samaras nach Athen, zum Treffen der Syrien-Kontaktgruppe nach Paris und zu den Trauerfeierlichkeiten für Ariel Scharon nach Jerusalem sowie zahlreiche Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen in Berlin.
Der Mann und das Amt – sie haben sich gefunden. Das unterscheidet Steinmeier von seinem Vorgänger Guido Westerwelle. Der frühere FDP-Chef hatte sich in seiner langen politischen Karriere nie wirklich für Außen- und Sicherheitspolitik interessiert, sondern war ein Innenpolitiker durch und durch. Entsprechend lange brauchte er, in dem Amt anzukommen und die Rolle des Chefdiplomaten anzunehmen. Steinmeier hingegen verlor auch als SPD-Fraktionschef nie die Außenpolitik aus dem Blick und pflegte seine internationalen Kontakte. Davon profitiert er heute, der Neustart ist kein Kaltstart. „Die parlamentarische Arbeit hat meinen Blick für die Erwartungen an die Erklärung von Außenpolitik im eigenen Land geschärft“, sagte er kurz nach seinem Amtsantritt. Als deutscher Außenminister wolle er gleichzeitig bei den europäischen Partnern wieder stärker zum Ausdruck bringen, was für Deutschland den Kern der EU ausmache: „Verständnis und Vertrauen.“
Steinmeiers Aktionismus, auch und vor allem auf der europäischen Bühne, hat allerdings noch einen anderen, tiefer gehenden Grund: Mit kraftvollen Akzenten stemmt er sich gegen die seit Jahren schwindende Bedeutung des Außenamtes in der operativen Politik, an der auch sein Vorgänger gelitten hat. Europapolitik ist seit dem Vertrag von Lissabon Chefsache der Kanzlerin, gleichzeitig hat der Finanzminister als Folge der Eurokrise in Brüssel massiv an Macht und Einfluss gewonnen. Wolfgang Schäuble, der gewiefte Taktiker, hat die Chance genutzt und sein Haus zu einem starken Europaministerium mit angeschlossener Haushaltsabteilung umgebaut.
Steinmeier ist entschlossen, dem entgegenzuwirken und auch das Außenamt wieder zu einem eigenen Akteur auf der europäischen Bühne zu machen. Ein Signal hat er bereits gesetzt – er warb Schäubles langjährigen Chefsprecher Martin Kotthaus ab und machte den früheren Sprecher der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU zum Chef der Europaabteilung im Außenamt. Eine Kampfansage an den Finanzminister, ihm das Brüsseler Terrain nicht widerstandslos zu überlassen und eigene Akzente jenseits der Finanz- und Fiskalpolitik zu setzen: „Wir wollen eine Europäische Union, die politisch und wirtschaftlich stark und zugleich sozial gerecht ist.“ In den Krisenländern des Südens wurde dies mit Genugtuung registriert.
Ein weiteres Ausrufezeichen setzte Steinmeier mit der Berufung seines früheren Staatsministers Gernot Erler zum neuen Russland-Beauftragten. Er gilt als deutlich Kreml-freundlicher als der bisherige Amtsinhaber Andreas Schockenhoff, der in der Vergangenheit den russischen Präsidenten Wladimir Putin offen kritisierte. Mithilfe Erlers will Steinmeier den ins Stocken geratenen Dialog mit Moskau neu beleben und eine Verbesserung der Beziehungen anstreben, was auch im Interesse der Kanzlerin liegt.