Es darf auch gelacht werden. Dafür, dass aus dem eigentlich eher nüchternen Akt der Vereidigung des neuen Bundespräsidenten keine allzu steife und trockene Veranstaltung wird, sorgt mit der Verlässlichkeit eines Uhrwerks schon Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der immer für launige Worte gut ist.
So erinnert der protokollarisch zweite Mann im Staate bei der Verabschiedung des bisherigen ersten Mannes im Staate, Joachim Gauck, und der offiziellen Einführung seines gewählten Nachfolgers Frank-Walter Steinmeier am Mittwochmittag bei einer gemeinsamen Sitzung des Bundestags und des Bundesrats daran, dass „in royalen Zeiten“ dieser Tag, der 22. März, bis 1887 ein Feiertag war, wurde doch im Deutschen Kaiserreich mit Militärparaden und Aufmärschen der Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. gefeiert.
Zur Erheiterung aller Anwesenden zitiert Lammert aus dem Gedicht eines Schülers, der mit wackeligen Versen ein Loblied auf den Monarchen angestimmt hat. „Nun ist uns der Kaiser abhandengekommen“, sagt Lammert, gleichwohl hätten Bundestag und Bundesrat unter Aufbietung aller Kräfte ein Wetter organisiert, „das man durchaus als Kaiserwetter bezeichnen kann“.
Lockere und gelöste Stimmung
Damit hat es Norbert Lammert, der in seiner mittlerweile zwölfjährigen Amtszeit zum vierten Male die Vereidigung eines Staatsoberhauptes leitet, geschafft, für eine lockere und gelöste Stimmung im weiten Rund des gut gefüllten Plenarsaals zu sorgen. Zuvor hat auch schon Bundeskanzlerin Angela Merkel Heiterkeit ausgelöst, als sie sich beim Einzug neben den scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck setzen will, aber feststellen muss, dass da gar kein Stuhl mehr für sie steht. So zieht sie sich auf ihren angestammten Platz in der ersten Reihe der Regierungsbank zurück.
Der notwendige Ernst kehrt dennoch schnell zurück und prägt die Feierstunde, in der die gewählten Repräsentanten der Republik ohne Pathos, aber würdig den Wechsel an der Spitze des Staates vollziehen. Der scheidende Präsident Joachim Gauck wie sein Nachfolger, der frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier, erinnern in ihren Reden an die schwierige internationale Lage und die vielfältigen Herausforderungen, vor denen das Land steht und die ein entschlossenes Handeln gegen die Feinde der Demokratie, der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeiten notwendig machen. Und doch unterscheiden sich die beiden im Tonfall wie im Stil ihres Auftretens.
Gauck bleibt sich bis zuletzt treu und malt ein eher optimistisches Bild von der Zukunft des Landes, auch wenn er offen zugibt: „Diese fünf Jahre sind wie im Flug vergangen, aber weithin anders verlaufen, als ich es mir bei meinem Amtsantritt vorgestellt habe.“ So wurden Grenzen neu gezogen und internationale Spielregeln gebrochen, an den Rändern Europas herrsche Krieg, nationalistisches und autokratisches Gedankengut gewinne an Boden. Und dennoch habe er durch die vielen Begegnungen mit Menschen Deutschland „neu schätzen gelernt“. Die Gesellschaft habe ein „reflektiertes Selbstwertgefühl“ entwickelt und sei in der Lage, Fehlentwicklungen durch Dialog und Gewaltlosigkeit zu korrigieren. Das gebe Mut.
Ein reichlich düsteres Bild malt hingegen das neue Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier in seiner knapp 30-minütigen programmatischen Rede, nachdem er gegenüber Norbert Lammert auf dem Original des Grundgesetzes den Amtseid mit dem Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ abgelegt hat. „Wie fest sind die Fundamente der Demokratie? Hat der Westen noch eine Zukunft? Wohin treibt Europa?“, fragt er nach wenigen Worten und kommt sofort auf die Türkei zu sprechen.
Namentlich appelliert er an Präsident Erdogan, nicht alles zu gefährden, was er in der Vergangenheit aufgebaut habe: „Beenden Sie die unsäglichen Nazi-Vergleiche! Zerschneiden Sie nicht das Band zu denen, die Partnerschaft mit der Türkei wollen! Respektieren Sie den Rechtsstaat und die Freiheit von Medien und Journalisten! Und: Geben Sie Deniz Yücel frei!“
Aber auch im eigenen Land stehe die liberale Demokratie „unter Beschuss“. Zu der äußeren Bedrohung durch Radikalismus, Terrorismus und den Machthunger von Autokraten gesellten sich im Innern Gleichgültigkeit, Trägheit und Teilnahmslosigkeit. Steinmeiers Antwort ist eindeutig: „Wir müssen über Demokratie nicht nur reden – wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten.“ Einfache Antworten, die Populisten versprechen, seien „in der Regel keine Antwort“, die „neue Faszination des Autoritären“, auch und gerade in Teilen Europas, „ist am Ende nichts anderes als die Flucht in die Vergangenheit aus Angst vor der Zukunft“.
Am Ende seiner Grundsatzrede verspricht Steinmeier, dass er als Bundespräsident zwar überparteilich agieren werde, wie es das Amt verlange, aber nicht neutral sein werde, wenn es um das Grundsätzliche geht: „Ich werde parteiisch sein – parteiisch für die Sache der Demokratie!“ Und auch für Europa. Bei seinen Antrittsbesuchen in den Bundesländern werde er an die Orte der deutschen Demokratie gehen und zu den Menschen, „die sie leben und beleben“.