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BERLIN
Folterkammer Nordkorea
Diktatur Kim Joo Ils Landsleute wissen nur wenig über die Straflager. In Berlin werden die Leiden gezeigt.
Über die Foltermethoden in Nordkorea zeigt das Mauer-Museum am Checkpoint Charly in Berlin eine Dauerausstellung. Der Aktivist und Dissident Kim Joo Il ist aus seinem Heimatland geflohen.
Foto: Verena Mörzl | Über die Foltermethoden in Nordkorea zeigt das Mauer-Museum am Checkpoint Charly in Berlin eine Dauerausstellung. Der Aktivist und Dissident Kim Joo Il ist aus seinem Heimatland geflohen.
Von unserer Mitarbeiterin Verena Mörzl
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:52 Uhr

Ballons mit Schmuggelware steigen über Kim Joo Il in den Himmel. Er steht im chinesischen Grenzgebiet zu Nordkorea und sieht hinterher. An den Ballons hängen Zeitungen, wie die von ihm gegründete „Free NK“. Sie bringen Nachrichten aus dem Ausland zu seinen Landsleuten, denn eine unabhängige Presse gibt es in Nordkorea nicht. Acht Jahre lang hat Kim Joo Il seine Flucht über China und Thailand bis in das kleinste Detail geplant. 2007 brach er auf nach Großbritannien und lebt inzwischen in London. Wäre er auf seinem Weg erwischt worden, hätte die Regierung ihn hinrichten lassen. Mit seinen Luftballon-Aktionen will er das Land endlich aufwecken.

Der 43-Jährige wuchs in Hamgyong auf, eine Provinz im Norden des Landes. Als Kind, sogar noch als junger Erwachsener, glaubte Kim Joo Il, dass Nordkorea eine Art Paradies sei. Viele Nordkoreaner sind nach wie vor geblendet von der Propaganda-Maschinerie der Regierung und der Ideologie des „ewigen Führers“ Kim Il Sung, der 1994 starb. Aber: Viele planten auch, der Diktatur mit Straflagern und Folter zu entkommen, sagt Kim Joo Il.

Damals diente Kim Joo Il als Offizier der Armee. Als er bemerkte, dass 30 Prozent seiner Soldaten unterernährt waren und viele von ihnen desertierten, begann er an der Theorie vom Paradies zu zweifeln. Beim Versuch, die Soldaten wiederzufinden, zog er durch das Land und sah, dass die Not in seiner Heimat weitaus größer ist als angenommen. Armut, Krankheit, Hunger: „Was ich in der Schule lernte, stimmte nicht mit der Realität überein“, sagt Kim Joo Il. Nordkorea – ein Land, das kaum weiter entfernt von einer Demokratie sein könnte und dennoch als Demokratische Volksrepublik Korea ausgerufen wurde. Wo Menschenrechte und die Informationsfreiheit mit Füßen getreten werden. Wo nach Angaben von Amnesty International und des Welternährungsprogramms zur Züchtigung Finger abgehackt werden, Sträflinge sich ihr eigenes Grab schaufeln müssen und jeder Dritte hungert. Ein Land, das für Kim Joo Il einst Zuhause war, bis er realisierte, dass er in einem Leben voller Lügen, voller Kontrolle gefangen war.

Die Regierung blockiert die meisten Internetseiten oder schafft ihre eigene Version von Facebook. Die Nutzung von Mobiltelefonen werde Amnesty International zufolge immer stärker überwacht. „Fernseher sind verplombt und können nur noch wenige Sender empfangen“, erzählt Ronald Hübner von Amnestys Länderkoordinationsgruppe Nordkorea. Wer erwischt werde, wie er westliches Fernsehen sieht oder wer verraten werde, dem drohten Umerziehungs- oder Arbeitslager mit Folter.

Kim Joo Il schmuggelt nicht nur Zeitungen, sondern auch USB-Sticks und DVDs von China nach Nordkorea, um die Menschen im Land aufzuklären. Viele andere Organisationen stemmen ähnliche Projekte von Südkorea aus. Menschen ohne Zugang zu Computer oder Fernseher beliefern sie über ein Netzwerk mit Zeitungen. Über Pjöngjang liege ein riesiges Magnetfeld, heißt es in einem Amnesty-Bericht über die Massenüberwachung. Es blockiert alle Nachrichten über Radio, Fernsehen oder Mobilfunk aus anderen Ländern. Dass das System der totalen Überwachung überhaupt funktionierte, sagt Hübner, liege an den „Inminban“-Volkskommittes, die meist aus 20 bis 30 Familien bestehen. Diese Nachbarn leben in großen Wohnblocks und treffen sich regelmäßig zu Selbstkritik-Sitzungen, in denen sie „schlechte Gedanken“ gestehen. Hübner: „Es herrscht ständig eine große Angst, verraten zu werden.“

Kim Joo Il erzählt im Berliner Mauermuseum am Checkpoint Charlie von seinem Leben in Nordkorea, am Rande einer neuen Dauerausstellung. Sie zeigt, wie Gefangene in den Straflagern, den Kwanlisos, unter Folter leben. In einem kleinen Raum des Museums hängen Bilder und Zeichnungen, basierend auf Erzählungen geflohener Gefangener. Auf einer Zeichnung liegt eine schwangere Frau am Boden. Über ihrem Babybauch balanciert ein Brett, auf dessen Enden je ein Mann steht. Sie malträtieren die Frau unter der Beobachtung von Wachsoldaten, bis das Kind im Bauch seiner Mutter stirbt. Auf einem anderen Bild ist ein Mann an Füßen und Händen gefesselt und baumelt von der Decke. Bei einer anderen Foltermethode schieben Soldaten den Gefangenen spitze Bambus-Splitter unter die Fingernägel, während die Handgelenke gefesselt sind. Nach Angaben von Amnesty International ist das größte Straflager, das „Kwanliso 16“, doppelt so groß wie Dortmund.

Irgendwann, so hofft Kim Joo Il, wird er in einem wiedervereinten Korea beim Aufbau einer Demokratie helfen. Nach seinen Angaben wird die Autorität des Führers seit Monaten untergraben. Grenzbeamte ließen sich häufiger bestechen, was auch Amnesty International bestätigt. Hübner erzählt von Wochenmärkten, die es seit geraumer Zeit in Nordkorea gibt. Dort verkauften Bauern das selbst angebaute Gemüse sowie verbotene Informationsträger wie DVDs oder USB-Sticks. „Das sind Graumärkte, die am Rand der Gesellschaft geduldet werden“ sagt Hübner. Die „Daily NK“ berichtete jüngst von Ausschreitungen auf einem Markt. Verkäufer kämpften demnach mit Fäusten gegen Beamte der Staatssicherheit darum, weiter ihre Waren anzubieten. Nach Ansicht von Experten zählt dieser Aufstand zu einem der ersten in diesem Land, in dem es keine Opposition gibt und immer öfter Luftballons mit Zeitungen über die Grenzen fliegen.

 
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