Vor vier Wochen war Hartmut Mehdorn noch die Zuversicht in Person. „Machen Sie sich mal keine Sorgen“, ermunterte er die Abgeordneten, die ihn in den Verkehrsausschuss des Bundestages eingeladen hatten. „Wir sind auf einem guten Weg.“ Noch im Sommer, versprach er, beginne am neuen Berliner Flughafen der Probebetrieb.
Aus und vorbei. Knapp ein Jahr nach Mehdorns Antritt als Chef der Flughafengesellschaft ist auf der größten Baustelle Ostdeutschlands nichts mehr sicher. Eher beiläufig hat der 71-Jährige den Landtag in Brandenburg gerade wissen lassen, dass er die Sanierung einer bereits bestehenden Startbahn verschiebt und es mit der Eröffnung im nächsten Jahr wohl nichts werden wird, sondern erst 2016. In einem Radiointerview bezifferte er die Gesamtkosten plötzlich nicht mehr auf 4,3 Milliarden Euro, sondern auf gut fünf Milliarden – und den geplanten Testbetrieb hat der streitbare Spitzenmanager gleich ganz abgeblasen. Angeblich hapert es noch am Schallschutz für die Anwohner.
Martin Burkert, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, hat sich deshalb entschlossen, erst einmal gar nichts mehr zu glauben. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagt der SPD-Abgeordnete aus Nürnberg: „Ich würde keinen Cent darauf wetten, dass der Flughafen tatsächlich 2016 eröffnet wird.“
Eigentlich sollte Berlin Brandenburg International, wie der neue Flughafen offiziell heißt, schon seit Juni 2012 am Netz sein und auch nur 1,7 Milliarden Euro kosten. Seit dem kurzfristig abgeblasenen Eröffnungstermin allerdings vergeht in Berlin und Potsdam kaum ein Monat ohne neue, besorgniserregende Nachrichten. „Auf der ganzen Welt machen wir uns mit diesem Flughafen lächerlich“, sagt Burkert. Er nimmt dafür auch Mehdorn in die Pflicht: „Er trägt die Gesamtverantwortung und kann nicht immer alles auf den Aufsichtsrat schieben.“
Der allerdings steht noch zu ihm. „Herr Mehdorn hat unser Vertrauen“, beteuerte Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit gestern nach einem neuerlichen Krisengipfel in Berlin. „Er ackert mit allen Kräften, dass dieses Projekt zum Erfolg geführt wird.“ Im benachbarten Brandenburg dagegen, wo im Herbst ein neuer Landtag gewählt wird, fallen die Solidaritätsadressen deutlich zurückhaltender aus. Anders als Mehdorn behaupte, schimpft Finanzminister Christian Görke von der Linkspartei, seien im Moment nicht die Auflagen für den Schallschutz das Problem, sondern nach wie vor der Brandschutz im Terminal. Eine mögliche Entlassung des Geschäftsführers will er nicht mehr ausschließen: „Darüber werden wir dann in den Gremien zu reden haben.“ Bisher habe Mehdorn weder einen Zeit- noch einen Kostenplan vorgelegt. Auch mit seinem Plan, den bisherigen Flughafen Tegel weit über die Eröffnung des neuen Airports hinaus offen zu halten, hat der frühere Bahn-Chef sich keine Freunde gemacht, weder bei den Anwohnern in Tegel noch bei den Fluggesellschaften, die mit ihren Gebühren keinen teuren Doppelbetrieb finanzieren wollen.
Jeder Monat, in dem nicht geflogen wird, kostet den Steuerzahler zwischen 35 und 40 Millionen Euro. Nach einem Bericht der Zeitung BZ, die sich auf ein Szenario der Planer beruft, könnte das vermeintliche Prestigeprojekt im ungünstigsten Fall sogar 6,1 Milliarden Euro verschlingen, mehr als dreimal so viel wie ursprünglich geplant.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) betonte laut Staatskanzlei nach dem Treffen das Ziel, den Flughafen schnell betriebsbereit zu machen. „Daran arbeiten wir alle mit großem Engagement. Das hat sich heute noch einmal gezeigt.“ Anders als der Bund und Berlin verzichtete er auf den Hinweis, Mehdorn genieße sein Vertrauen. Woidke sitzt aber auch nicht im Flughafen-Aufsichtsrat.
Verbindlicher Zeitplan gefordert
Er hatte es begrüßt, dass Mehdorn die geplante Sanierung der nördlichen Rollbahn verschiebt, um zuvor für mehr Schallschutz bei den Anwohnern zu sorgen. Mehdorn dagegen hatte den Behörden in Brandenburg vorgeworfen, das Projekt mit kurzfristigen neuen Vorgaben weiter zu verzögern. Die Brandenburger wählen im September einen neuen Landtag.
Der Verkehrsstaatssekretär des Bundes, Rainer Bomba (CDU) hatte vor dem Treffen gesagt, Mehdorn habe nach den Querelen etwas gutzumachen. Das Ministerium forderte einen verbindlichen Zeit- und Kostenplan.
Der Chef des Flughafen-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, Martin Delius (Piratenpartei), forderte, den im Herbst abgesetzten Technikchef Horst Amann wieder ins Amt zu holen. Notwendig sei eine von Mehdorn unabhängige technische Leitung. Mit Informationen von dpa