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BRÜSSEL
Flüchtlingskatastrophe ruft die EU auf den Plan
reda
 |  aktualisiert: 05.08.2015 19:25 Uhr

Nicht ein einziges Mal kommt das Wort „Flüchtling“ vor. Als EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos Frankreich und Großbritannien Unterstützung zusagt, hütet sich der Grieche in seiner öffentlichen Mitteilung, von einer humanitären Katastrophe zu sprechen. Stattdessen berichtet er von einem „konstruktiven“ Gespräch mit Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve und dessen britischer Amtskollegin Theresa May, die ihn über die „Situation in Calais“ ins Bild gesetzt hatten. Die französische Grenzstadt am Ärmelkanal sei „ein weiteres deutliches Beispiel, dass wir beim Umgang mit dem Zuwanderungsdruck in Europa mehr Solidarität brauchen.

Zwei unmittelbare Antworten der Kommission kamen prompt: die EU-Grenzschutzorganisation Frontex soll bei der Registrierung und der Ausstellung von Reisedokumenten helfen – um jene Flüchtlinge zurück in ihre Heimat zu schicken, die die Kriterien des europäischen Asylrechts nicht erfüllen. Außerdem sagte Avramopoulos Hilfszahlungen aus dem 3,1 Milliarden Euro schweren Fonds für Asyl, Migration und Integration (AMIF) zu, die beiden Ländern ohnehin zustehen. Frankreich bekommt demnach 266 Millionen Euro, Großbritannien sogar 370 Millionen Euro.

Dabei bitten mehr Flüchtlinge in Frankreich als im Vereinigten Königreich um Asyl. Laut der EU-Statistikbehörde Eurostat warten in Frankreich derzeit noch circa 37 000 Anträge auf Bearbeitung, in Großbritannien waren es noch 29 000 offene Anfragen. Im vergangenen Jahr erhielten 31 Prozent der insgesamt 32 000 Migranten einen positiven Bescheid, in Frankreich hatten 23 Prozent der 64 000 Menschen Glück. Bricht man ihre Zahl auf jeweils 1000 Einwohner herunter, zeigt sich aber ein anderes Bild. Frankreich nimmt mit 0,22 Flüchtlingen pro 1000 Bürgern mehr auf als Großbritannien, wo nur 0,16 Migranten auf 1000 Briten kommen.

Die meisten Flüchtlinge wollten im vergangenen Jahr in Deutschland Asyl beantragen. Von 203 000 Anträgen wurden allerdings nur 40 500 bewilligt – macht 0,5 pro 1000 Bundesbürgern: mehr als auf der britischen Insel oder westlich des Rheins. In diesem Jahr belaufen sich die noch offenen Anfragen auf bislang 288 000. Die Bundesrepublik soll dafür aber nur 208 Millionen Euro aus dem AMIF-Fördertopf bekommen. Die meisten dürfen in Schweden bleiben, wo 2014 bereits 3,14 Flüchtlinge auf 1000 Einwohner entfielen. Fördergeld bekommt Stockholm trotzdem nur vergleichsweise wenig: 118 Millionen sind für die kommenden Jahre vorgesehen.

Die klassischen Aufnahmeländer Italien, Griechenland und Bulgarien können die Versorgung Tausender Flüchtlinge, die täglich an den Küsten von Lampedusa, Lesbos oder über die teils noch zaunfreie bulgarische Grenze in die EU strömen, indes längst nicht mehr leisten. Allein in diesem Jahr warten 49 000 gestrandete Migranten auf eine Aufenthaltsgenehmigung, in Griechenland sind es fast 30 000. Mit über 20 000 im vergangenen Jahr (0,34 pro 1000 Einwohner) hat Italien doppelt so viele Menschen aufgenommen wie Großbritannien. Dafür bekommt Rom 310 Millionen bis 2020 aus dem AMIF. Das ärmste EU-Land Bulgarien hat im vergangenen Jahr 7000 Asylbewerber aufgenommen (0,97 pro 1000 Einwohner). Zehn Millionen Euro sind alles, was Sofia bis 2020 für die Versorgung erhält.

Eine Antwort auf die ungleiche Fördersumme aus dem AMIF-Topf blieb die Kommission auf Anfrage schuldig. Schon mit Einführung einer verpflichtenden Verteilquote für Flüchtlinge ist sie gescheitert. Stattdessen beschlossen die 28 EU-Staaten eine freiwillige Umverteilung. Bis Oktober sollen 32 250 Migranten aus den Auffanglagern auf die 28 Mitgliedstaaten verteilt werden. Eine echte Antwort auf die anhaltende Katastrophe, die sich täglich an den Grenzen der Union abspielt, sind diese Zahlen aber nicht.

 
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