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WIEN
Faymann gegen Merkel
reda
 |  aktualisiert: 09.02.2015 19:15 Uhr

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras machte auf seiner Europatournee am Montag auch in Wien Station. Dabei forderte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gemeinsam mit ihm neue Lösungen für die Eurozone. Er betonte: „Verpflichtungen sind einzuhalten. Rahmen sind einzuhalten.“ Tsipras äußerte sich erfreut: „Ich habe den Eindruck, dass ich einen guten Freund gefunden habe“, sagte er nach dem Treffen. Beide wandten sich gegen Steuerbetrug und Steuerflucht in der EU.

Faymann hatte erst am Wochenende die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen ihrer wirtschaftspolitischen Haltung in Europa heftig kritisiert. Wichtige europäische Reformen in Europa fehlten, „weil alles, was die deutsche Bundeskanzlerin Merkel unterstützt, etwas verspätet ist“. Weiter sagte er, Deutschland unterschätze die Auswirkungen des Kaufkraftverlustes: „Das scheitert an Angela Merkels Plan des Abwartens. Sie wartet, was ihr vorgelegt wird“, klagte er. „Im letzten Moment etwas zu machen, wenn man vor dem Abgrund steht, hat den Nachteil, dass kein Optimismus entsteht.“

Die personellen Alternativen

Für Beobachter kam dieser Angriff gegen Merkel kurz vor dem EU-Gipfel überraschend, da Faymann sich bisher in der EU stark an der deutschen Position orientiert hat. Hintergrund dürfte sein, dass der österreichische Bundeskanzler innenpolitisch in den vergangenen Wochen unter Druck geraten ist. Er versucht jetzt, auf dem Wege der Konfrontation mehr Profil zu gewinnen.

So liegt die wiedererstarkte ÖVP unter ihrem neuen Vorsitzenden Reinhard Mitterlehner in Umfragen vorn, die Rechtspartei FPÖ erhält ebenso viel Zustimmung wie Faymann. Außerdem wirft die eigene sozialdemokratische Partei Faymann im siebten Jahr seiner Kanzlerschaft Passivität und mangelnde Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem christlich-konservativen Koalitionspartner ÖVP vor. Die Regierung in Wien ringt gegenwärtig um eine Steuerreform. Doch noch ist keine Annäherung der beiden Koalitionspartner in Sicht.

Auf der Suche nach personellen Alternativen mehren sich in der SPÖ die Stimmen, die den Chef der Österreichischen Bundesbahnen, Christian Kern, als Alternative zu Faymann ins Spiel bringen. Kern ist ein smarter, erfolgreicher Manager und vor allem ein ausgesprochen starker und allseits beliebter Kommunikator. Damit könnte er Faymann gefährlich werden. In diesem Bewusstsein befand die Kanzlervertraute und Parlamentspräsidentin Doris Bures in einem Radiointerview, Kern sei „nicht so ein guter Politiker“ und „er ist intelligent genug, um das zu wissen“.

Laut einer Umfrage trauen 43 Prozent aller Österreicher Kern „sicher“ oder „eher“ zu, auch das Kanzleramt auszufüllen. 30 Prozent glauben das nicht. Weitere 27 Prozent kennen ihn nicht. Tatsächlich ist nicht damit zu rechnen, dass sich Kern jetzt gegen Faymann in Position bringen lässt, zumal er noch keine Parteiorganisation hinter sich hat, die ihn auf den Schild hebt. Doch es ist nicht auszuschließen, dass Faymann ein Jahr vor der Wahl 2018 ein Gegenkandidat aus den eigenen Reihen erwächst.

 
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