Es klang beinahe Erleichterung aus dem Statement von Boris Johnson durch: Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) habe den Wissenschaftlern im Vereinigten Königreich recht gegeben, wiederholte der britische Außenminister das, was kurz zuvor in dem Bericht in Den Haag öffentlich wurde. Nach einer Untersuchung der Blutproben des russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia, könnten „die Ergebnisse Großbritanniens in Bezug auf die Identität der toxischen Chemikalie“ bestätigt werden, hieß es in dem Kurzreport der OPCW vom Donnerstag – auch wenn dieser weder den Namen der Substanz nannte noch auf die Herkunft des Kampfstoffes einging.
Anfang April hatten Experten auf der Insel festgestellt, dass die Skripals mit dem Nervengas Nowitschok vergiftet worden waren. Der Anschlag führte zu solch einer schweren diplomatischen Krise zwischen Russland und dem Westen, dass London die unabhängigen Chemiewaffenexperten der OPCW bat, ebenfalls in dem Fall zu ermitteln. Der Report ist ein Erfolg für die britischen Behörden, die keinen Zweifel daran lassen, wen sie für den Anschlag Anfang März im südenglischen Salisbury verantwortlich machen: „Nur Russland hat die Mittel, das Motiv und die Erfahrung“, betonte Außenminister Johnson am Donnerstag abermals die Sicht der britischen Regierung. Das hoch toxische Nervengift der Nowitschok-Gruppe war in der früheren Sowjetunion hergestellt worden. Und so forderte der Chefdiplomat den Kreml erneut auf, „Antworten zu liefern“.
Ausweisung von Diplomaten
Angesichts des eskalierenden Streits hatte Premierministerin Theresa May bereits vor Wochen Sanktionen gegen Russland verhängt und unter anderem 23 Diplomaten ausgewiesen. Verbündete Staaten folgten ihr. Als Reaktion schickte Moskau ebenfalls Vertreter westlicher Staaten nach Hause. Der Kreml weist die Vorwürfe der Verwicklung in den Anschlag vehement zurück, antwortete zudem mit viel Spott auf die Anschuldigungen. Erst vergangene Woche lud der russische Botschafter in London, Alexander Jakowenko, in seine Residenz zu einer Pressekonferenz. Trotz gegenteiliger Aussagen von russischen Entwicklern des Nervengases, behauptete Jakowenko, sein Land habe nie Nowitschok produziert geschweige denn besessen.
Am Dienstagabend meldete sich erneut Julia Skripal, die anders als der 66-jährige Ex-Spion mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen wurde, in einer Stellungnahme zu Wort. Ihr gehe es zwar besser, aber sie leide weiterhin „unter den Folgen des Nervengases, das gegen uns eingesetzt wurde“. Ihr Vater sei „immer noch schwer krank“. Der russischen Botschaft, die „freundlicherweise“ ihre Unterstützung angeboten hätte, erteilte sie eine Absage: Vorerst wolle sie deren konsularische Hilfe nicht und bat zudem ihre Cousine Viktoria, sie nicht zu kontaktieren oder in Großbritannien zu besuchen. „Ihre Meinungen und Behauptungen sind nicht meine und auch nicht die meines Vaters“, so die 33-jährige Julia.
Briten wollen Transparenz
Viktoria Skripal spielte in den vergangenen Wochen eine undurchsichtige Rolle. So hatte sie mehrere Auftritte in russischen Medien, in denen sie die Angaben Großbritanniens anzweifelte und meinte, ihre Verwandten seien Opfer einer Fischvergiftung geworden. Zudem klagte sie darüber, dass ihr Antrag auf ein Besuchervisum vom britischen Innenministerium abgelehnt worden war. Daraufhin gab die Behörde bekannt, Viktoria Skripal habe die Einreisebestimmungen nicht erfüllt.
Die britische Regierung berief für Mittwoch ein Treffen des Exekutivrats der OPCW ein, um über das weitere Vorgehen zu reden. „Im Interesse der Transparenz und weil wir, im Gegensatz zu den Russen, nichts zu verbergen haben“, habe man bei der OPCW um eine Veröffentlichung der Zusammenfassung gebeten, so Johnson. London hat zudem eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt.