Es ist kurz nach Mitternacht, als die „Albertina“ nahe der sambischen Stadt Ndola abstürzt. Der Aufprall reist den damaligen UN-Generalsekretär, Dag Hammarskjöld, und die weiteren 15 Insassen in den Tod. Ein tragischer Unfall, verursacht durch einen Pilotenfehler, lautete lange Zeit die offizielle Version der Vereinten Nationen. Doch weil die Ermittlungen nie vollständig klären konnten, was sich wirklich am 18. September 1961 an der Grenze zum Kongo abgespielt hat, beschäftigte der Vorfall nicht nur Verschwörungstheoretiker. Immer wieder kamen neue Ungereimtheiten ans Licht und erhärteten die These, das Flugzeug sei in Wahrheit abgeschossen worden. Während die UN weiter ermittelt, will der dänische Filmemacher und Investigativ-Journalist Mads Brügger jetzt den entscheidenden Beweis gefunden haben, berichtet die belgische Zeitung „De Morgen“.
Rückblende: Im Kongo herrscht Waffenruhe. Frieden schaffen - das ist Hammarskjölds Mission, die den gebürtigen Schweden am 17. September 1961 nach Zentralafrika bringt. Ein Jahr nach der Unabhängigkeit von der Kolonial-Macht Belgien droht der Kongo im Chaos zu versinken. Die Provinz Katanga – für den Westen vor allem wegen ihres Uran-Vorkommens von enormem Interesse – hat sich vom Rest des Landes abgespalten. Die entsandten Blauhelme – eine Erfindung Hammarskjölds – können gegen die belgischen Soldaten und andere Söldner, die das katangesische Rebellen-Regime unterstützen, kaum etwas ausrichten. Hammarskjöld habe keine Chance gegen Jan Van Risseghem gehabt. Katangas Machthaber befahl angeblich dem belgischen Söldner, die DC-6, mit der der Diplomat unterwegs nach Ndola war, kurz vor ihrer Landung abzuschießen.
„Ich weiß, dass Jan Van Risseghem das Flugzeug abgeschossen hat, weil er selbst mir das erzählt hat.“ Ist diese Aussage der entscheidende Beweis, der den Fall Hammarskjöld endlich abschließt? Sie stammt von dem Belgier Pierre Coppens. Der ehemalige Fallschirmjäger will Van Risseghem nach seiner Rückkehr aus dem Kongo kennengelernt haben. Erzählt hat er das nicht dem UN-Chef-Ermittler Mohamed Chande Othman, der seit 2015 versucht, den mysteriösen Vorfall aufzuklären. Mads Brügger und Göran Björkdahl waren seine Gesprächspartner. Der dänische Filmemacher und der schwedischen Privat-Ermittler sind bei der Recherche für ihren Dokumentarfilm „Cold Case Hammarskjöld“ (Ungelöster Fall Hammarskjöld) auf Coppens gestoßen.
Ein Volltreffer, denn seine Aussage bestätigt die 2011 veröffentlichten Recherchen der britischen Forscherin Susan Williams, die den Abschuss des Flugzeuges für mehr als wahrscheinlich hält. Neu ist der Verdacht, Van Risseghem habe die „Albertina“ vom Himmel geholt, nicht. 2014 berichtete die britische Zeitung „The Guardian“ über ein Telegramm vom Tag des vermeintlichen Unglücks. Darin beschuldigte der damalige US-amerikanische Botschafter im Kongo den belgischen Söldner, für die Vernichtung der Maschine verantwortlich zu sein. Zeugen, die den Verdacht bestätigen, fehlten bisher. Durch die lange Geheimhaltung des Telegramms war auch eine Befragung Van Risseghems unmöglich geworden. Der Pilot starb 2007 im belgischen Lint nahe Antwerpen.
Premiere am 26. Januar beim "Sundance-Festival"
„Cold Case Hammarskjöld“ feiert am 26. Januar auf dem US-amerikanischen „Sundance-Festival“ Premiere. Knapp eine Woche später folgt die Europa-Premiere in Göteborg. Wann die Dokumentation in die deutschen Kinos kommt, ist noch unklar.
„Ich bin gespannt, den Film zu sehen“, sagt der Geschäftsführer der Dag Hammarskjöld Stiftung, Henrik Hammargren, unserer Zeitung. Am Film mitgewirkt habe die Stiftung aber nicht. „Es ist nicht die Bestimmung der Stiftung, eine Rolle in den laufenden Untersuchungen zu spielen“, erklärt Hammargren. Genauso wenig will er die neuen Beweise kommentieren.
Abschlussbericht im Sommer
Laut Coppens erfuhr Van Risseghem erst nach der Tat, dass Hammarskjöld in dem abgeschossenen Flugzeug gesessen hatte. Auf die Frage, ob er Reue empfinde, habe er geantwortet: „Naja, manchmal musst du im Leben Dinge tun, die du nicht tun willst, aber eine Anweisung sind.“ Hammarskjöld hätte ihm daraufhin wohl mit einer seiner berühmten Lebensweisheiten widersprochen: „Eine hohe Stellung gibt dir nie das Recht, zu befehlen. Es gibt dir nur die Schuldigkeit, so zu leben, dass andere deinen Befehl annehmen können, ohne erniedrigt zu werden."
UN-Chef-Ermittler Othman begrüße den Dokumentarfilm, teilt die UN-Presse-Abteilung auf Anfrage dieser Redaktion mit. Indem er Informationen enthülle und teile, die bei der Suche nach der Wahrheit helfen könnten, bestärke er sein Mandat. Im Sommer will Othman seinen Abschlussbericht veröffentlichen. Bis dahin bleibt die Geheimhaltung wichtiger Dokumente sein größtes Hindernis: Noch immer gewähren Großbritannien und Südafrika dem Oberrichter aus Tansania nur begrenzten Einblick in ihre Archive – trotz UN-Resolution.