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ATHEN
Fälschte Ex-Minister Steuerdaten?
Giorgos Papakonstantinou
Foto: dpa | Giorgos Papakonstantinou
Von unserem Korrespondenten GERD HÖHLER
 |  aktualisiert: 22.12.2015 15:32 Uhr

Eigentlich wollte Giorgos Papakonstantinou die Feiertage geruhsam verbringen. Aber jetzt steht der Politiker, der von Oktober 2009 bis Juni 2011 griechischer Finanzminister war, im Mittelpunkt eines schlimmen Verdachts: Als Chef des Finanzministeriums soll er die Daten einer Steuer-CD manipuliert haben, um Verwandte zu decken, die dicke Bankguthaben in der Schweiz hatten. Papakonstantinou bestreitet die Anschuldigungen, er sieht sich als Opfer einer Verschwörung.

Die mysteriöse Geschichte beginnt im Oktober 2010. Damals erhielt Papakonstantinou von seiner französischen Amtskollegin Christine Lagarde eine CD mit den Daten von mehr als 2000 Griechinnen und Griechen, die Konten bei der Genfer Niederlassung der Großbank HSBC unterhielten. Die Franzosen hatten das Material einem Mitarbeiter der Bank abgekauft, der seither einen vergoldeten Vorruhestand an der Cote d'Azur genießen soll. Potenziell brisantes Material für die griechischen Steuerfahnder, zumal damals wegen der Krise bereits die Kapitalflucht bedrohliche Ausmaße angenommen hatte. Umso merkwürdiger, dass niemand im Finanzministerium den Erhalt der Steuer-CD quittierte oder protokollierte. Er habe das Datenmaterial auf seinem Computer gesichtet, sich die Namen der 20 Kontoinhaber mit den größten Guthaben notiert und für weitere Nachforschungen an die Steuerfahndung gegeben, erklärte Papakonstantinou.

Dann verliert sich die Spur der Steuer-CD. Er wisse nicht mehr, was aus dem Datenträger geworden sei, sagt Papakonstantinou heute. Er habe die CD einem Mitarbeiter zur Archivierung anvertraut – wem, weiß er nicht mehr. Zwei Jahre lang blieben die Daten verschollen. Als Finanzminister Giannis Stournaras, der seit Juni 2012 das Ressort leitet, von der Existenz der so genannten „Lagarde-Liste“ erfuhr und in seinem Ministerium nach den Daten forschen ließ, blieben sie unauffindbar. Wie konnte die CD verschwinden? Schlamperei? Oder Absicht? Weil vielleicht Leute auf der Liste standen, die es zu schützen galt?

Anfang Oktober tauchten die Daten plötzlich wieder auf. Der Sozialistenchef Evangelos Venizelos, der im Juni 2011 Papakonstantinou als Finanzminister abgelöst hatte, übergab den Behörden einen USB-Stick mit den Bankdaten. Er habe eine „private Kopie“ der Daten angefertigt, die er von seinem Vorgänger erhalten habe, erklärte Venizelos. Über den Verbleib des Originals wisse er nichts. Aber wie authentisch ist die Kopie? Diese Frage beschäftigte auch Finanzminister Stournaras. Er forderte deshalb bei seinem französischen Amtskollegen Pierre Moscovici erneut den ursprünglich im Herbst 2010 übergebenen Datensatz an.

Am 21. Dezember traf die neue CD in Athen ein. Zwei Sonderstaatsanwälte für die Verfolgung von Finanzverbrechen machten sich an den Abgleich der Daten. Dabei gab es eine Überraschung: Die Original-CD enthielt 2062 Namen, die bisher in Athen bekannte Kopie umfasst nur 2059 Kontoinhaber. Bei den drei fehlenden Namen handelt es sich um zwei Cousinen von Ex-Finanzminister Papakonstantinou und einen ihrer Ehemänner. Es geht um Guthaben von 1,22 Millionen Euro.

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll jetzt klären, wer die drei Namen von der Lagarde-Liste löschte. Auch die Justiz ermittelt. Papakonstantinou bestreitet entschieden, die Daten manipuliert zu haben. Er sieht sich als Opfer einer „dreisten Verschwörung“.

 
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