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FRANKFURT
EZB senkt Leitzins noch weiter
reda
 |  aktualisiert: 05.06.2014 20:48 Uhr

Europas Währungshüter stemmen sich mit noch billigerem Geld und neuen Notkrediten für Banken gegen Konjunkturschwäche und Preisverfall im Euroraum. Damit das extrem billige Notenbankgeld auch als Investitionsspritze bei Unternehmen und Verbrauchern ankommt, brummt die Europäische Zentralbank (EZB) Geschäftsbanken erst mal Strafzinsen auf, wenn sie Geld bei der Notenbank parken.

An der Börse sorgte die Entscheidung der Notenbank für Jubelstimmung. Der Dax sprang am Donnerstag erstmals in seiner 26-jährigen Geschichte über 10 000 Punkte.

Trotz des einstimmig beschlossenen, historischen Maßnahmenpakets betonte EZB-Präsident Mario Draghi in Frankfurt: „Wir sind hiermit nicht am Ende, solange wir uns im Rahmen unseres Mandates bewegen.“ Weitere unkonventionelle Schritte seien in Vorbereitung. Ausdrücklich nannte Draghi den Kauf von Kreditpaketen (ABS) und breit angelegte Wertpapierkäufe („Quantitative Easing“/QE).

Aus Deutschland hagelte es Kritik an der Verschärfung des Krisenkurses. „Statt der erhofften Impulse für die Wirtschaft in den Krisenländern werden durch die erneute Zinssenkung die Sparer in ganz Europa weiter verunsichert und Vermögenswerte zerstört“, sagte Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn kritisierte: „Das ist der verzweifelte Versuch, mit noch billigerem Geld und Strafzinsen auf Einlagen die Kapitalströme nach Südeuropa umzuleiten und so dort die Wirtschaft anzukurbeln.“

Nach monatelangem Zögern machten die Währungshüter ernst im Kampf gegen den seit Monaten gefährlich niedrigen Preisauftrieb im Euroraum. Den Leitzins senkte die EZB wie erwartet von 0,25 Prozent auf das Rekordtief von 0,15 Prozent. Den Zins für Bankeinlagen, der seit dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise im Juli 2012 bei 0,0 Prozent lag, nahm die Notenbank auf minus 0,10 Prozent zurück.

„Wir reagieren damit auf das Risiko eines zu langen Zeitraums niedriger Inflationsraten“, erklärte Draghi. Beim Leitzins sei nun „der untere Rand erreicht“. Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an. Das stärkt in der Regel den Preisauftrieb.

Im Mai war die Teuerungsrate im Euroraum auf 0,5 Prozent gesackt und ist damit meilenweit entfernt vom EZB-Ziel stabiler Preise bei einer Inflation von knapp unter 2,0 Prozent. Das nährt Sorgen vor einer Deflation, also einem Preisverfall.

Mit dem Strafzins sollen Banken dazu gebracht werden, mehr Kredite an Unternehmen und Verbraucher zu geben und so die Konjunktur anzuschieben. Zugleich soll der negative Einlagenzins die Inflation antreiben: Indem er den Euro schwächt und so Importe verteuert.

Zusätzlich bietet die EZB den Geschäftsbanken neue Milliardenspritzen an, um die Kreditvergabe vor allem in den südlichen Euroländern anzukurbeln.

Von einer „Placebopolitik auf Kosten der Sparer“ sprach der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Uwe Fröhlich. Er rechne zwar nicht mit negativen Zinsen für den Endverbraucher, gleichwohl schwächten die niedrigen Zinsen die Altersvorsorge der Menschen.

Ähnlich sehen das die Versicherer: Das Niedrigzinsniveau werde weiter verfestigt, zulasten der Vorsorgesparer in Deutschland. Ihre Sparanstrengungen werden durch die EZB untergraben“, erklärte der Präsident des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft, Alexander Erdland, in Berlin.

Beifall kam hingegen von der Gewerkschaftsseite. Angesichts drohender Deflation und Stagnation sei die Geldpolitik der EZB richtig und wichtig, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Dazu müsse sich aber eine aktive Fiskalpolitik der Eurostaaten mit kräftigen Investitionen gesellen.

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Negativer Einlagezins und Streit um Dispozinsen

Auf den ersten Blick klingt es paradox: Wenn Banken künftig Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, müssen sie dafür einen negativen Zinssatz akzeptieren – mit anderen Worten: Sie müssen Strafzinsen bezahlen. Die obersten Währungshüter senkten diesen sogenannten Einlagezins am Donnerstag auf minus 0,1 Prozent und damit erstmals unter null. Hintergrund der Maßnahme: Banken sollen überschüssige Liquidität nicht bei der EZB parken, sondern das Geld in Form von Krediten an Verbraucher und Unternehmen weiterreichen. Ob Strafzinsen die Kreditvergabe beflügeln, ist allerdings umstritten. Das Bundesverbraucherministerium hat die Banken nach der Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgefordert, die Dispozinsen für ihre Kunden zu senken. „Die Entscheidung der EZB zeigt, dass sich Banken noch lange Zeit sehr billig Geld leihen können“, sagte Staatssekretär Gerd Billen. „Wenn Banken gleichzeitig für die Inanspruchnahme von Dispo-Krediten völlig überzogene Zinsen nehmen, ist das aus Sicht der Verbraucher unverständlich.“ Die Kreditwirtschaft sollte reagieren. Verbraucherschützer kritisieren, dass fürs Konto-Überziehen zum Teil Dispozinsen von über zehn Prozent fällig werden. Text: dpa

 
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