Mit drastischen Worten hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Druck auf die griechische Regierung erhöht. Sollte es keine Perspektive für eine Einigung im Schuldenstreit mit den Gläubigern geben, müsste die EZB die Nothilfen für die griechischen Banken unverzüglich beenden, warnte Frankreichs Notenbankchef Christian Noyer am Mittwoch im französischen Radiosender Europe 1.
Noyer, der Mitglied des EZB-Rates ist, sagte, die Zentralbank habe die Nothilfen bereits bis zum Maximum ausgelegt. "Wir beginnen uns sehr große Sorgen zu machen", erklärte er. Das pleitebedrohte Land stellte unterdessen einen neuen Antrag für Rettungsmilliarden beim Eurorettungsschirm ESM.
Athen hat nur noch wenige Tage Zeit, um mit den Europartnern einen Kompromiss im Streit über die Schuldenkrise zu finden. Diese hatten dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras am Dienstag eine Frist bis zum Ende dieser Woche gesetzt.
Tsipras: Arbeitnehmer und Rentner nicht stärker belasten
Tsipras sagte am Mittwoch im EU-Parlament in Straßburg, Ziel eines neuen Hilfsprogramms müsse sein, die Belastungen für die Bevölkerung gerechter zu verteilen. "Arbeitnehmer und Rentner können keine zusätzlichen Lasten akzeptieren", sagte Tsipras. Die bisherigen Programme seien zur Rettung der Banken verwendet worden. "Sie kamen nicht beim Volk an", sagte er. "Mit keiner Reform wurde die Funktionsfähigkeit der Staatsmaschine verbessert."
Der ESM bestätigte den Eingang des neuen Hilfsantrags. Das Verfahren ist aber kompliziert. Nur die Finanzminister der Eurozone können den Startschuss geben, um das Verfahren für ESM-Hilfen zu starten. ESM-Finanzhilfen können nur gewährt werden, wenn die Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt und seiner Mitgliedstaaten gefährdet ist. Zudem gibt es strenge Auflagen. Nach einem Antrag folgt ein längeres Verfahren etwa mit umfangreicheren Mitsprache-Rechten des Bundestages als bisher.
Seit Monaten sind die Banken des hoch verschuldeten Landes vor allem auf Ela-Notkredite ("Emergency Liquidity Assistance") angewiesen. Diese sind eigentlich als vorübergehende Unterstützung im Grunde gesunder Banken gedacht. Der EZB-Rat muss am Mittwoch über die Ela-Notkredite beraten, weil die jüngste Verlängerung der knapp 90 Milliarden Nothilfen nur bis einschließlich zu diesem Tag ausgelegt war. Allgemein wird erwartet, dass die Nothilfen auf dem aktuellen Stand bis Sonntag verlängert werden, um den politischen Verhandlungen eine Chance zu geben.
EZB will ihr Risiko nicht weiter erhöhen
Noyer machte klar, dass die jüngste Verzögerung im Verhandlungsprozess die letzte sein müsse. "Wir haben Regeln, und wir haben sie so weit es geht ausgelegt, um die griechischen Banken am Leben zu halten", sagte er. "Wir können aber nicht unbegrenzt unsere Risiken erhöhen, weil die Steuerzahler in anderen Ländern letztlich dafür bezahlen müssten, wenn die Katastrophe eintritt."
An die Adresse Griechenlands gerichtet warnte der Notenbanker: "Die griechische Wirtschaft bewegt sich am Rande einer Katastrophe." Eine Einigung zwischen Athen und seinen öffentlichen Geldgebern bis kommenden Sonntag, wenn die von der politischen Führung Europas gesetzte Frist ausläuft, sei "absolut" notwendig.
Noyer nahm mit klaren Worten die Politik in Haftung: Die EZB dürfe nicht darüber hinaus gehen, was politisch zu entscheiden sei. "Es ist nicht an uns, unsere Regeln zu ändern - es ist an der Politikern, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, die notwendig sind."
Beobachter sehen 20. Juli als Entscheidungstag
Bislang waren Beobachter davon ausgegangen, dass es für die Banken zum 20. Juli kritisch werden könnte. Sollte Athen an diesem Tag fällige Staatsanleihen im Umfang von 3,5 Milliarden Euro nicht tilgen, die von der EZB gehalten werden, wäre dies "tatsächlich der Fall eines Staatsbankrotts", hatte Noyers österreichischer Kollege Ewald Nowotny am Montagabend erklärt.
Die griechischen Banken sind seit Montag voriger Woche geschlossen. Der Kapitalverkehr im Land wird kontrolliert. Geldabhebungen sind drastisch beschränkt. Das führt zu erheblichen Einschränkungen in der Wirtschaft.
Fahrer bekommen nicht mehr genug Bargeld, um LKW zu betanken
So steht das Transportwesen kurz vor dem Zusammenbruch. Logistikunternehmen können ihre Lastwagen nicht betanken, weil die Besitzer täglich nur 60 Euro aus ihren Konten abheben können. "Ein Lastwagenfahrer braucht 4000 Euro um aus Deutschland nach Griechenland zu kommen", sagte Petros Skoulikidis, Präsident der Transportunternehmen Griechenlands (PSXEM) im griechischen Fernsehen. Die griechischen Kreditkarten werden aber im Ausland nicht mehr akzeptiert. Auch im Inland gebe es große Probleme, sagte Skoulikidis. Lieferungen auf die Inseln sind nur gegen Barzahlung möglich. Dort könne es bald zu Versorgungsengpässen kommen, sagten übereinstimmend mehrere Bürgermeister im griechischen Fernsehen.