Es ist vier Uhr morgens am Dienstag, als ein lautes Schiffshorn die Bewohner der Insel Giglio aufschreckt. Es ist das Signal, dass die Costa Concordia endlich wieder aufgerichtet ist. Einige Menschen, die sich das langwierige Spektakel wenigstens für ein paar Stunden Schlaf ersparen wollten, strömen an den Hafen. Da liegt sie wieder, die Costa Concordia, vom Wasser umspült, gesunken auf einem künstlichen Boden in 30 Metern Tiefe, aber immerhin aufgerichtet. Und zerstört.
Als nach einer Weile der Chef der Operation mit einem Schlauchboot anlegt, brandet Applaus auf. Sprechchöre erklingen, die denjenigen feiern sollen, den alle als Helden ausgemacht haben: Kapitän Nicholas Sloane, 52 Jahre alt, aus Südafrika. Auf Giglio nennen ihn alle Nick. Er hat das Team geleitet, das die Aufrichtung bewerkstelligte. Sloane zeigt sich erleichtert, schwenkt eine südafrikanische Fahne im Morgengrauen und küsst seine Frau ein paar Mal auf den Mund. „Jetzt will ich erstmal ein Bier“, sagt er, und: „Es ist noch nicht zu Ende.“
600 Millionen Euro Kosten
Die Costa Concordia liegt nach dem „Parbuckling“ zwar wieder gerade und relativ stabil da. Aber die Schäden auf der Steuerbordseite, die 20 Monate unter Wasser und auf zwei großen Granitmassiven auflag, sind erheblich. Wie überdimensionale Prankenhiebe haben der Meeresgrund und das Gewicht des Schiffs ihre Zeichen hinterlassen. Von der Größe der Schäden hängt ab, wie und ob die restlichen Container auf der Steuerbordseite angebracht werden können. Sie sollen mit Wasser gefüllt werden, das schließlich abgepumpt und dem Relikt Auftrieb verleihen soll. Dann könnte das Schiff abtransportiert werden, vielleicht im Frühjahr.
Die Strukturen des Wracks werden nun auf ihre Stabilität hin untersucht, später soll das Relikt zusätzlich stabilisiert werden, damit es Wind und Wellen im Winter standhalten kann. Erst wenn seine Stabilität gesichert ist, können auch die Bergungsarbeiten aufgenommen werden. Zwei Leichen werden immer noch im Rumpf vermutet.
Als Erfolg feierten die Verantwortlichen, dass bislang offenbar kaum vergiftetes Wasser aus dem Wrack ins Meer gespült wurde. Insgesamt 19 Stunden dauerte das Parbuckling, das die Reederei Costa Crociere und deren Versicherungen bislang schon 600 Millionen Euro gekostet hat. Die Verzögerungen der Arbeiten wurden mit schlechtem Wetter und einem kleineren Zwischenfall erklärt. Vier der 36 Seilwinden mussten umgebaut werden, weil sie andere Seile behinderten. „Wichtig war, alles vorsichtig und genau zu machen, nicht wie viele Stunden die Aufrichtung dauert“, sagte ein Ingenieur.
Das Parbuckling der Concordia wird als technische Meisterleistung gefeiert, noch nie wurde bislang ein Schiff dieser Dimensionen wieder aufgerichtet. „Besser hätte es nicht laufen können“, sagte der Chef des Zivilschutzes Gabrielli. Er erhielt auch einen Anruf des italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta, der das Gelingen als einen „großen Stolz Italiens“ bezeichnete. Gabrielli hob hervor, dass sich das internationale Team mit 500 Technikern vor allem aus Italienern zusammengesetzt habe. Die Concordia war im Januar des vergangenen Jahres mit mehr als 4000 Menschen an Bord gekentert. Bei dem Unglück starben 32 Menschen, darunter auch Deutsche. Erinnerungen an die Havarie des Kreuzfahrtschiffes begleiten Roswitha und Roman Stark aus Stettbach (Lkr. Schweinfurt) bis heute. Für das Ehepaar war die Unglücksreise bereits die zweite Kreuzfahrt. Schon 2010 waren die beiden an Bord der Concordia gewesen.
Umfassende Kostenerstattung
Doch auf ihrer zweiten Fahrt war alles anders: Mit ihrem Ehemann saß Roswitha Stark im Speisesaal im dritten Deck, als das Kreuzfahrtschiff einen Felsen rammte. Gläser und Geschirr fielen von den Tischen. „Als das Schiff sich dann langsam neigte und Panik unter den Passagieren ausbrach, war alles sehr chaotisch“, erinnert sich Stark. Selbst beruhigende Durchsagen des Personal hätten keine Wirkung mehr gezeigt. In der aufgebrachten Menschenmenge verlor sich das Ehepaar aus Stettbach dann aus den Augen. Erst 19 Stunden später fanden sich die beiden in der italienischen Stadt Savona wieder. „Ich stand schreckliche Ängste aus, wie es meinem Mann geht“, sagte Stark damals direkt nach dem Unglück.
An Land auf der Insel Giglio kümmerten sich Dorfbewohner um die frierenden Menschen. „Wir waren ja alle durchgefroren und vollkommen durchnässt“, so Stark. Für die Hilfsbereitschaft der Italiener sei sie bis heute sehr dankbar. Schließlich sei sie in der Nacht starr vor Angst um ihren Ehemann gewesen.
Mit Bussen seien die Passagiere bald zurück nach Deutschland gebracht worden. Dort sei dann alles schnell gegangen, berichtet Stark. „Unser Anwalt hat sofort Kontakt mit dem italienischen Betreiber des Schiffes aufgenommen.“ Bereits kurz nach dem Unglück hatten die Betreiber eine umfassende Kostenerstattung zugesichert. Zudem erhielten alle Betroffenen eine Pauschale von 11 000 Euro als Abfindung von der italienischen Reederei. „Die Betreiber haben uns zusätzlich den gesamten Reisepreis zurückerstattet und auch die Kosten für den Rücktransport erlassen“, so Stark. Innerhalb von zwei Wochen nach dem Unglück hatten die Reeder der Familie das Geld überwiesen. Dem Prozessende gegen Kapitän Francesco Schettino sieht Stark nun gespannt entgegen. Denn Verständnis für sein riskantes Manöver hat Stark bis heute nicht. Was dem Ehepaar aus Stettbach bleibt, sind die Erinnerungen an die Havarie. „Das Unglück begleitet mich bis heute sehr.“ Doch Roman und Roswitha Stark gehen bald wieder an Bord: Im November will das Ehepaar seine nächste Kreuzfahrt antreten.