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PJÖNGJANG
Experten prüfen Berichte über Gräuel in Nordkorea
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:40 Uhr

Ein abgeschirmtes Land. Ein unheimliches Land. Ein Land zum Gruseln. Seit Jahrzehnten kommen immer wieder Informationen über die Grenze, die erschaudern lassen. Jetzt liegt er vor, ein akribischer Bericht der UN über willkürliche Verhaftungen, Hinrichtungen, bis zu 120 000 politische Gefangene in Lagern, Entführungen und lückenlose Kontrolle. Der Bericht stützt sich auf Aussagen von mehr als 80 Nordkoreanern, denen die Flucht gelungen ist. Eine erschütternde Lektüre, die die schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Shin Dong-hyuk war 23 Jahre alt, als ihm 2005 die Flucht aus dem Straflager 14 für politische Gefangene gelang. Als Kind erlebte er dort Mord, Folter und Hunger. Er war dabei, als seine Mutter und sein Bruder hingerichtet wurden. Vor seiner Flucht hatte er jeden Tag seines Lebens im Lager 14 verbracht. Shin Dong-hyuk gilt als einer der wichtigsten, weil glaubwürdigsten Kronzeugen für die Verbrechen in seinem Heimatland. Doch auch an seinen Aussagen wurden Zweifel laut – wie an früheren Meldungen über Nordkorea als „Reich der Finsternis“.

Puzzle mit vielen tausend Teilen

„Natürlich gibt es das Grundproblem, dass die Berichte über Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nordkorea notdedrungen auf Zeugenaussagen basieren“, räumt der Asien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Hanns Günther Hilpert, ein. Untersuchungen von neutralen Organisationen vor Ort sind schließlich unmöglich. Bleibt klassische Geheimdienstarbeit. Insbesondere die USA und natürlich Südkorea horchen in das berüchtigte Land hinein. Gestochen scharfe Aufklärungsbilder zeigen die Barackensiedlungen, deren Innenleben jedoch verborgen bleibt.

So ist Nordkorea auch für Experten nach wie vor ein Puzzle mit vielen tausend Teilen. Bei aller Vorsicht ergeben die zusammengetragenen Informationen über das Regime von Staatschef Kim Jong Un für Hilpert ein klares Bild. „Menschen, die dort landen, haben kaum eine Chance zu überleben. Sie sterben an Kälte, harter Zwangsarbeit oder Auszehrung. Auch willkürliche Erschießungen gibt es.“ Kleinste „Verfehlungen“ würden oft ausreichen, um in solch einem Lager zu verschwinden.

Sippenhaft ist gang und gäbe

Besonders perfide sei die Praxis, ganze Familien zu bestrafen, wenn sich ein Angehöriger „unbotmäßig“ gegenüber dem Regime verhalte. Hilpert: „Sippenhaft ist gang und gäbe.“ Der Bericht der UN, da ist sich Hilpert sicher, ist für Nordkorea eine „schmerzliche internationale Ächtung“. Eine Antwort könne die Verschärfung der selbst gewählten Isolation sein.

Nordkorea ist immer noch das am besten abgeschottete Land der Welt. Nach wie vor, erklärt Hilpert, sind die Menschen „von der Wiege bis zur Bahre“ einer „sehr geschickten Gedankenkontrolle“ sowie der „allgegenwärtigen Propaganda“ ausgeliefert. „Allerdings ist die Hülle in den letzten Jahren durch ausländische Radio- und Fernsehsender, durch die Sonderwirtschaftszone Kaesong und durch die Händler aus China etwas löchriger geworden“, sagt der Experte. Allerdings: Wer sich dabei erwischen lasse, „Feindsender“ zu nutzen, dem drohe Lagerhaft.

Warum aber unterstützt China ein Regime, das es selber kaum noch kontrollieren kann? Es sind knallharte strategische Überlegungen, die China an der Seite der Führung in Pjöngjang hält. Aber längst nicht nur: China griff 1950 an der Seite von Nordkorea gegen eine Koalition von Südkorea, den USA und UN-Truppen in den Koreakrieg ein. „Dieser Konflikt ist heute noch immer sehr präsent in der chinesischen Öffentlichkeit“, sagt Hilpert. Rund eine Million chinesische Soldaten – darunter viele Freiwillige – überlebten die mit äußerster Härte geführten Kämpfe nicht.

 
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