Die Gewalt eskaliert, Massaker sind an der Tagesordnung, über eine Million Menschen befinden sich auf der Flucht – die Lage in Zentralafrika ist alarmierend. Am Montag haben die 28 Außenminister der EU beschlossen: „Wir müssen handeln“, wie es der schwedische Außenamtschef Carl Bildt ausdrückte. „Es geht um eine humanitäre und politische Notlage.“
Zwischen 700 und 1000 Soldaten der EU-Staaten sollen die bereits vor Ort stationierten 1600 Franzosen unterstützen. Gemeinsam mit den 4000 bewaffneten Kräften der afrikanischen Nachbarstaaten sei es möglich, das Chaos in den Griff zu bekommen, hieß es in Brüssel. Deutschland wird sich nicht mit Bodentruppen beteiligen, sondern hat angeboten, Frankreich in Mali zu entlasten sowie Bundeswehr-Maschinen für Luftbetankung und den Transport in die Hauptstadt Bangui zur Verfügung zu stellen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): „Wir müssen mit Blick auf unsere Möglichkeiten sehr sorgfältig schauen, wo wir unseren Schwerpunkt setzen.“ Als Entlastung der französischen Einheiten in Mali könne man unter Umständen mehr bewirken als in der Zentralafrikanischen Republik.
Seit fast einem Jahr geht das 4,25 Millionen Einwohner große Land regelrecht unter. Im März 2013 hatte sich der bisherige Präsident Michel Djotodia an die Spitze geputscht. Er stützt seine Macht auf die bewaffnete Rebelleneinheit „Séléka“, was so viel wie „Allianz“ heißt. Doch von der versprochenen Besserung war nichts zu sehen.
Mordend, vergewaltigend und zerstörend zogen die Truppen über das Land. Christliche Milizen auf der einen, moslemische Schergen auf der anderen Seite – dazwischen werden die Menschen regelrecht zerrieben.
Aus Bangui und der unmittelbaren Umgebung sind eine Million Menschen vertrieben worden. Die Infrastruktur ist zusammengebrochen. „Hier gibt es kein einziges Krankenhaus mehr, das funktioniert“, berichtete vor wenigen Tagen der Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation. Die landwirtschaftliche Produktion ist völlig zusammengebrochen, sodass weit mehr als eine Million Menschen keine Nahrung mehr finden. Die Hoffnungen richten sich jetzt auf Catherine Samba-Panza, die bisherige Bürgermeisterin von Bangui, die am Montag zur neuen Übergangspräsidentin gewählt wurde. Sie muss vor allem das Morden stoppen, die Rebellen entwaffnen. „An einem Tag wurden innerhalb weniger Stunden mehr als 300 Menschen getötet“, beschrieb EU-Flüchtlingskommissarin Kristalina Georgiewa bei einer parallel zu den Außenministern tagenden Geberkonferenz in Brüssel die Lage. Dort konnte sie rund 366 Millionen Euro für den Wiederaufbau sammeln.
Doch ob die Hilfsbereitschaft der Europäer tatsächlich so ausgeprägt ist, wie die Betroffenheitsbekundungen vermuten ließen, ist offen. In den kommenden Wochen sollen die benötigten Truppen „eingesammelt“ werden, nachdem es mehrere Staaten – darunter auch Deutschland – abgelehnt hatten, die Schnelle Eingreiftruppe (Battlegroups) der EU zu alarmieren, die seit 2007 ohne jeden Einsatz ist.
Bisher erklärte sich nur Estland bereit, die zentralafrikanische Truppe mit 55 Soldaten zu unterstützen. „Einige werden wohl noch abwarten, ob der Einsatz wirklich nur unter der Fahne der EU stattfinden kann oder ob die Vereinten Nationen ebenfalls ein Mandat erteilen“, hieß es gestern in Brüssel. Die UN hat die Mission für Zentralafrika am kommenden Donnerstag auf die Tagesordnung gesetzt.