Fast 14 Stunden haben Europas Fischereiminister miteinander gerungen, um jährlich 1,9 Millionen Tonnen Beifang wie kleine Heringe und Makrelen zu retten. „Dieser Beschluss wird Europas Fischfang verändern“, sagte Irlands Minister Simon Coveney, der als Vertreter der Ratspräsidentschaft die Verhandlungen führte. Und auch Bundeslandwirtschaftsministerin Il-se Aigner zeigte sich zufrieden: „Ich freue mich, dass es dieses Votum gegeben hat.“
Jahrelang hatten die Mitgliedstaaten nach einer Lösung für den sogenannten Beifang gesucht. Dabei handelt es sich um Tiere, die zwar ins Netz gehen, aber viel zu klein und deshalb unverkäuflich sind. Auf den Trawlern werden die Fische – die meisten verletzt oder tot – wieder ins Wasser zurückgeworfen. Ein schwerer Schlag für die ohnehin gefährdeten Bestände. Rund drei Viertel aller Arten in Europas Meeren gelten als überfischt, weltweit sind es 25 Prozent. Etwa 30 Prozent jedes Fangs werden auf diese Weise bisher aussortiert.
Fischerei-Experten haben ausgerechnet, dass für eine Portion Scholle, die auf dem Teller des Genießers landet, 300 Gramm Beifang in den Netzen landete. Bei einer Portion Scampi sind es sogar 1500 Gramm, 1800 Gramm für eine Seezunge.
Nun rückt die EU dem Problem zu Leibe. Die versehentlich gefangenen Tiere dürfen nur noch sieben Prozent jedes Fischzugs ausmachen. Ab 2015 gilt die Regelung für die Ostsee, ein Jahr später folgt die Nordsee, 2017 wird auch das Mittelmeer einbezogen. EU-Fischerei-Kommissarin Maria Damanaki will den Betroffenen an den Küsten helfen und hat Gelder für das Anschaffen neuer, großmaschiger Netze in Aussicht gestellt.
Bei der Interessenvertretung der Deutschen Fischereiwirtschaft sieht man den Kompromiss als gelungen an. Geschäftsführer Matthias Keller sagte, die Neuregelung mache verlässlichere Bestandsprognosen möglich. Dadurch könnten künftig auch die Quoten exakter eingehalten und schneller wieder erhöht werden. Der Deutsche Fischereiverband zeigte sich dagegen noch zurückhaltend. „Ob die Einigung Sinn oder Unsinn macht, wird erst die Detailausgestaltung zeigen“, erklärte Generalsekretär Peter Breckling. Die steht während der nächsten Monate in den Gesprächen mit dem Europäischen Parlament an – und sie könnte schwierig werden. Denn die Abgeordneten wollen den Kompromiss nachbessern. Mit dem vereinbarten Rückwurfverbot seien die Minister „weit hinter der Forderung des Parlamentes zurückgeblieben“, erklärte die sozialdemokratische Fachfrau Ulrike Rodust. Die Volksvertreter hatten gefordert, den Beifang grundsätzlich zu verbieten und wollten auch keine jahrelangen Übergangsfristen erlauben. Man werde „hart verhandeln“, kündigte Rodust am Mittwoch in Brüssel an.
Allzu viel Spielraum haben die Mitgliedstaaten allerdings nicht gelassen. Schon dem jetzigen Kompromiss sind nicht alle Länder beigetreten, Schweden hat gegen die Einigung votiert. Und ob kürzere Fristen am Ende möglich sind, scheint fraglich. Die Beratungen des Parlamentes dürften sich bis Ende dieses Jahres hinziehen, zwei Jahre sind nach Angaben von Fachleuten nötig, um die europäischen Fischereiflotten umzustellen. Vor 2015 wird das Beifangverbot somit nicht in Kraft treten können – wie es die Minister beschlossen haben.