Thomas de Maiziere redet nicht um den heißen Brei herum. „Im Lichte dieser gesamten Prüfungsergebnisse behalte ich mir personelle Konsequenzen vor“, sagt der Verteidigungsminister am Mittwoch gleich mehrfach. Erst vor den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses, denen der Verteidigungsminister wegen der Bruchlandung der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ fast vier Stunden lang Rede und Antwort steht, dann vor den Hauptstadtjournalisten, denen er ebenfalls seinen Bericht vorlegt.
Doch was das genau heißt, wen er damit meint und ob dies auch für ihn selbst gilt, will der 59-jährige Christdemokrat auf Nachfrage so konkret nicht beantworten. Seine Ankündigung Mitte Mai, aus dem „Euro Hawk“-Projekt auszusteigen, war „die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt, die fehlerhaft zustande gekommen ist“, sagt er, nun wolle er dazu beitragen, „diese Mängel abzuschaffen“. Er jedenfalls wolle im Amt bleiben, um in seinem Ministerium für mehr Offenheit der Untergebenen gegenüber der politischen Spitze zu sorgen.
Es sei eine „schlechte Tradition“, Unangenehmes von dem Minister fernzuhalten, auch wenn dies für den jeweiligen Amtsinhaber bequem sei. „Ich möchte dazu beitragen, dass sich das verändert.“
Offenheit, Transparenz, das klare Benennen von Problemen – indem Thomas de Maiziere das für sein Ministerium fordert, macht er deutlich, woran es aus seiner Sicht beim „Euro Hawk“ gemangelt habe. Erst am 13. Mai sei er von seinen beiden für Rüstungs- und Beschaffungsvorhaben zuständigen Staatssekretären Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf zum ersten Male darüber informiert worden, dass die Drohne keine Zulassung für den deutschen und europäischen Luftraum erhalten werde. „Es gab zuvor keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem“, seine Staatssekretäre hätten bis zuletzt eher allgemein betont, die Probleme seien „lösbar“.
Er selbst, so de Maiziere reichlich selbstkritisch, mache sich den Vorwurf, sein Haus nicht so organisiert zu haben, „dass ich als Minister bei Entscheidungen dieser Größenordnung beteiligt werde“. Und auf Nachfrage wird er noch deutlicher. „Es ärgert mich ziemlich. Und wer mich kennt, weiß, dass das eine zurückhaltende Formulierung ist.“
In der Sache selbst verteidigt der Minister den Ablauf wie die Entscheidung. Es sei richtig gewesen, die Drohne des US-Herstellers Northrop Grumman zu kaufen, ebenso sei es richtig gewesen, eine eigene europäische Sensorik zu entwickeln und zu testen, habe doch bei der luftgestützten Aufklärung eine „Lücke im Fähigkeitsspektrum der Bundeswehr“ bestanden. Die Fähigkeit sei unter anderem notwendig, um die Soldaten im Einsatz besser schützen zu können. Allerdings habe sich nun erwiesen, dass der „Euro Hawk“ nicht das geeignete Trägersystem sei, nicht nur wegen der fehlenden Zulassung.
So hätten die USA auch entschieden, die ältere Version aus dem Dienst zu nehmen, was die Versorgung mit Ersatzteilen erschwert und die Betriebskosten erhöht hätte, zudem hätten die Einsätze bis 2017 von den USA aus durchgeführt werden müssen. De Maizieres Fazit: „Durch die Entscheidung im Mai 2013 ist kein zusätzlicher Schaden entstanden, sondern größerer Schaden verhindert worden.“
Die Oppositionsparteien geben sich mit diesen Aussagen allerdings nicht zufrieden und werfen dem Minister vor, sich vor der politischen Verantwortung zu drücken. De Maiziere suche die Fehler nur bei anderen und sei gleichzeitig der Meinung, „er hat alles richtig gemacht“, kritisiert der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold. Sein Kollege Omid Nouripour von den Grünen lästert, der Ressortchef handle nach der Devise „Ministerium schlecht, Minister gut.“ Seine Ankündigung, eine neue Task Force einzusetzen, die die Fehler beim „Euro Hawk“ aufklären solle, sei ungenügend. „Das ist nicht Aufklärung, das ist Verschleppung.“ Und Inge Höger von den Linken bemängelt, es werde nicht reichen, ein Bauernopfer zu bringen. Der Haushaltsexperte der SPD, Carsten Schneider, fordert gar den Rücktritt des Ministers.
Gleichzeitig bemängeln die Oppositionsvertreter, dass der Minister den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses erst am Morgen seinen 67-seitigen Bericht vorgelegt habe und sie kaum Zeit hatten, sich in die komplexe Materie einzuarbeiten. Aus diesem Grund wird es am kommenden Montag eine weitere Sitzung des Ausschusses geben, bei der de Maiziere noch einmal Rede und Antwort stehen muss.
Auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wollen SPD, Grüne und Linkspartei nicht ausschließen, sollte der Minister ihre Fragen nicht umfassend beantworten. Die Union lehnt dies allerdings ab. „Wir brauchen kein zusätzliches Forum für den Wahlkampf“, sagt der hessische Verteidigungsexperte Michael Brand dieser Zeitung. „Thomas de Maiziere hat einen umfassenden und detaillierten Bericht vorgelegt“, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien schlicht „haltlos“.