Es ist der Alptraum jedes Fluggastes: Zwei Piloten im Cockpit, einer schläft, der andere auch. Was an Bord eines britischen Airbus A330 mit 325 Passagieren an Bord vor wenigen Tagen passierte, ist offenbar kein Einzelfall. Bei einer Umfrage der britischen Pilotenvereinigung Balpa gaben 29 Prozent der befragten Flugzeugführer an, sie hätten, als sie nach der geplanten Ruhephase wieder aufwachten, auch ihren Kollegen neben sich schlafend vorgefunden.
Die EU hat sich des Themas angenommen. Doch am Montag lehnte der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlamentes einen Vorschlag der Kommission erst einmal ab, mit dem die Flugdienstzeiten EU-weit harmonisiert und verkürzt werden sollten. Er sah vor, am Tag nur noch höchstens 13 Stunden, in der Nacht elf Stunden am Steuerknüppel zu erlauben. Innerhalb von sieben Tagen hätten die Piloten höchstens 60 Stunden einen Jet fliegen dürfen. Bereitschaftszeiten sollten deutlich mehr angerechnet werden als bisher.
Die Ablehnung gehört zu einer Strategie. Denn nicht nur den Piloten, auch den Politikern gehen die Verbesserungen nicht weit genug. Das Manöver ist allerdings riskant. Sollte nun auch das Plenum des Europäischen Parlamentes das Papier zurückweisen, bleibt die derzeitige Regelung bestehen. Und die ist noch schlechter.
Vier Jahre lang hatte die EASA, die Europäische Agentur für Flugsicherheit, gefragt, geforscht und über 50 Studien ausgewertet, ehe sie diesen Vorschlag präsentierte. Deutschland hatte das Paket mitgetragen.
Die europäischen Pilotenvereinigungen können mit dem Beschluss leben. Denn die Vorschläge der Kommission halten sie für unzureichend. „Würden Sie an Bord eines Flugzeugs gehen, wenn Sie wüssten, dass der Pilot bei der Landung 22 Stunden wach ist?“, fragte provozierend der Präsident der Pilotenvereinigung European Cockpit Association, Nico Voorbach. Philipp von Schöppen-thau, Generalsekretär des Dachverbandes, nennt die Bestimmungen ein „echtes Risiko für die Flugsicherheit“. Wissenschaftler hätten die Belastungsgrenze bei maximal zehn Stunden am Steuer gezogen, die EU-Kommission gehe deutlich darüber hinaus. „Wir Piloten haben viel längere Dienstzeiten als zum Beispiel Lkw-Fahrer“, betont ein Flugzeugführer, der ungenannt bleiben möchte. Was auf dem Papier als Ruhezeit stehe, sei in Wirklichkeit mit Papierkram, Checks der Maschine und anderen Belastungen gefüllt. „Es kann vorkommen, dass wir nach 19 Stunden noch eine komplizierte Landung schaffen müssen.“
Beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) nennt man die Reform dennoch „eine deutliche Verbesserung“. Die Geschichten von schlafenden Piloten im Cockpit seien „Panikmache“, sagt Präsident Klaus-Peter Siegloch. Auch er räumt allerdings ein, dass die Branche unter großem Druck steht und daher auch die Belastung im Cockpit steige. Sein Beispiel ist dramatisch: So gäbe es Gesellschaften, die von Tunis nach Frankfurt so starten, dass sie morgens unmittelbar nach Öffnung des Airports landen können. Sie fliegen durch, um abends kurz vor Schließung des Flughafens um 23 Uhr ein letztes Mal abheben zu können. Dadurch schaffen sie pro Tag einen Umlauf Tunis – Frankfurt – Tunis mehr als andere Gesellschaften, die sich an strengere Ruhezeiten halten müssen. Das bringt einen zusätzlichen Gewinn von einer Million Euro im Jahr.