Es geht um nicht weniger als diese Zeitung, ob sie nun gedruckt oder digital genutzt wird. „Wenn wir nichts tun, wird in einigen Jahren niemand mehr am Anfang der Kette sein, der Musik, Bilder oder Texte anbietet“, macht sich EU-Digitalkommissar Günther Oettinger Sorgen. In der kommenden Woche will er seinen Vorschlag vorstellen, um Verleger und Künstler gegenüber Konzernen wie Google, Facebook und anderen zu stärken. „Leistungsschutzrecht“ heißt das Projekt, mit dem die EU-Kommission das bisherige Urheberrecht aus dem Jahr 2001 neu fassen will. Und das heißt konkret: Online-Anbieter, die etwa auf Zeitungsartikel oder auch nur Ausschnitte zurückgreifen, sollen dafür Abgaben zahlen, die den Urhebern in und außerhalb der Verlage zugutekommen.
„Wenn Online-Plattformen Milliarden verdienen“, aber nichts bei denen ankomme, die die Inhalte produzieren, werde es keine Inhalte mehr geben, so Oettinger. Dem Entwurf des neuen EU-Gesetzes zufolge sollen die Inhalte bis zu 20 Jahre geschützt bleiben – deutlich länger als in Deutschland, wo zumindest bisher eine Frist von einem Jahr gilt. Der Grund: „Wir haben uns für einen längeren Schutz entschieden, weil wir überzeugt sind, dass jemand auch mit einem Archiv von Zeitungsartikeln Geld verdienen kann“, so Oettinger.
Das neue Leistungsschutzrecht würde den Verlagen tatsächlich mehr Rechte geben, sich gegen die Ausbeutung durch große Online-Konzerne zu wehren. Bisher hatte Google in Deutschland die Beiträge aller jener Häuser rausgeworfen, die sich nicht freiwillig bereit erklärten, einer kostenlosen Lizenz zuzustimmen. Als diese dann merkten, dass die Zugriffe auf die eigenen Internet-Portale einbrachen, gaben sie klein bei und räumten Google ebenfalls alle Zugriffsrechte ein.
In Spanien kam es sogar zum Abschalten des News-Dienstes von Google, weil sich die Verleger gegen den Ausverkauf wehrten. „Spanien ist nicht groß genug. Deutschland vermutlich auch nicht“, spekulierte Oettinger jetzt. „Aber einen Markt mit 500 Millionen Konsumenten wird sich Google nicht entgehen lassen.“ Soll heißen: Der Kommissar sieht auf dem europäischen Markt gute Chancen für einen Durchbruch zugunsten der Verleger, Musiker, Autoren und Fotografen, die von den Urheberrechtsabgaben profitieren würden.
Privatpersonen bleiben außen vor
Schon jetzt ist allerdings zwischen den Kommissaren und den Internetexperten des Europäischen Parlamentes ein Streit darüber ausgebrochen, ob die Neuregelung auch private Nutzer treffen könnte. Vor allem Julia Reda, die Vertreterin der Piraten-Partei, befürchtet, dass die Kommission auch Privatpersonen in Haftung nehmen wolle, wenn diese einen Link zu einem Zeitungsartikel mit einem kurzen Textauszug oder Bild posten würden. Sogar eine Klagewelle sei denkbar. Oettinger bezeichnete dies als „Unsinn“ und bekräftigte, private Nutzer blieben auch künftig frei, „Fotos oder Querverweise zu Zeitungsartikeln – inklusive kurzer Anreißer – auf ihrer Facebook-Seite oder Twitter zu veröffentlichen, ohne dafür zu zahlen“.
Noch ist jedoch unklar, ab wann eine solche Regelung greifen könnte. Neben den zuständigen Ministern der Mitgliedstaaten muss auch das Europäische Parlament zustimmen. Und dort sind gleich mehrere Ausschüsse zuständig. Oettinger fordert deshalb einen Digitalausschuss.