Es ist die alles entscheidende Frage: Wer steckt hinter den Unruhen im Osten der Ukraine? Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin offenbar schon festgelegt hat und durch Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag bestätigen ließ: „Vieles deutet darauf hin, dass die bewaffneten Gruppen Unterstützung aus Russland erhalten“, waren sich die EU-Außenminister in Luxemburg keineswegs so einig. Zwar schlug sich Londons Außenamtschef William Hague auf die Seite der deutschen Regierungschefin und sagte: „Es kann keinen Zweifel geben, dass das alles von Russland geplant und ausgeführt wird. Die russischen Dementis haben kein bisschen Glaubwürdigkeit.“ Doch hinter verschlossenen Türen habe es auch zurückhaltende Stimmen gegeben, die davor warnten, „die Lage durch eine vorschnelle Einschätzung eskalieren zu lasen.“
Bullige Menschen in Schwarz
Moskau solle sich von den „bulligen Menschen in Schwarz, die mit Gewehren operieren, distanzieren“, forderte Luxemburgs Außenamtschef Jean Asselborn. Nur wenige Tage vor dem ersten Zusammentreffen der Außenminister Russlands, der Ukraine, der Vereinigten Staaten sowie der EU-Chefdiplomatin am Donnerstag wäre ein Beschluss über Wirtschaftssanktionen „nicht zielführend“, hieß es. „Statt Strafmaßnahmen brauchen wir konstruktive Vorschläge für die Gespräche“, betonte der niederländische Außenminister Frans Timmermans.
Doch die EU steht unter Druck, auch aus Washington. Während die USA inzwischen offen über mögliche Waffenlieferungen zur Unterstützung der Kiewer Übergangsregierung nachdenken, beschränkte sich die EU am Montag zunächst darauf, ihre Politik der Nadelstiche auszuweiten. So wurde die Liste der Personen, deren Konten gesperrt werden und die nicht in die Gemeinschaft einreisen dürfen, um fünf auf 22 Namen erweitert. Unter anderem bezog man nun auch den früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch mit ein.
Das wichtigste Signal aus Luxemburg aber ist das Finanzpaket in Höhe von rund einer Milliarde Euro, das – zusammen mit bereits beschlossenen 620 Millionen Euro – noch vor dem 25. Mai nach Kiew überwiesen werden soll. An diesem Tag finden in der Ukraine vorgezogene Neuwahlen statt. Die Wirtschaft des Landes dürfte aber vor allem von den Zöllen profitieren, die mit sofortiger Wirkung weitgehend entfallen.
Zollunion
Dabei verzichtet Brüssel auf rund 95 Prozent der Abgaben auf Industrieprodukte sowie 82 Prozent der Zölle auf Agrarerzeugnisse. „Das ist eine großartige Chance für die angeschlagene Wirtschaft, sich auf einem neuen Markt zu etablieren“, hieß es in Brüssel, wo EU-Handelskommissar Karel de Gucht den Schritt der Minister lobte: „Diese Entscheidung drückt nicht nur unsere Solidarität mit der Ukraine aus“. „Die Union macht außerdem ihre Entschlossenheit deutlich, schnelle Schritte zu unternehmen, um die Situation für die östlichen Nachbarn zu verbessern.“ Bis zum 1. November soll die Zollunion erst einmal bestehen. Bis dahin rechnet man mit dem Zustandekommen einer zusammenfassenden Vereinbarung über eine Freihandelszone, an der auch andere osteuropäische Partner beteiligt werden sollen.