Bis zu 70 000 Mails am Tag, regelrechte Telefon-Bombardements, verfälschende Videos auf Youtube – selbst für erfahrene EU-Parlamentarier war diese Welle beispiellos. Einige Volksvertreter berichteten, dass Kinder sogar über das neue EU-Urheberrecht sprechen wollten, weil Youtube behauptet habe, das Internet würde abgeschaltet. „Eine Desinformationskampagne, sehr bitter“, beklagte zwischenzeitlich der CDU-Europa-Abgeordnete Axel Voss, Berichterstatter für das Thema. Dabei wollten die EU-Kommission und das Abgeordnetenhaus doch eigentlich nur eines erreichen: Urheberrechtlich geschützte Inhalte sollen vor dem Ausverkauf bewahrt werden. Dafür müssten die Plattform-Betreiber sorgen.
Das umstrittene Instrumentarium dafür beinhalten die Artikel 11 und 13 der Richtlinie: Zum einen haben Anbieter wie Youtube, Google oder andere künftig dafür zu sorgen, dass geschützte Songs, Videos, Bilder oder Texte lizensiert werden – soll heißen: Sie müssen für deren Veröffentlichung zahlen. Artikel 13 fordert eine angemessene Abgabe, die den Verlagen ebenso zukommt wie Künstlern, Autoren und Kulturschaffenden. Doch der Streit eskalierte spätestens mit der Behauptung, die EU werde automatische Uploadfilter vorschreiben, die schon beim Bereitstellen eines urheberrechtlich geschützten Werkes anschlagen und diese verhindern, falls keine Lizenz erworben wurde.
In den einschlägigen Netzforen liefen die User Sturm. Befürchtungen und Behauptungen wurden verbreitet. Wird Wikipedia die Geschäftsgrundlage entzogen? (Nein, natürlich nicht.) Darf ein Nutzer künftig noch auf seiner Facebook-Seite auf einen interessanten Zeitungsartikel verweisen. (Ja, da gibt es keine Einschränkungen). Die Konzerne mischten fleißig mit und schürten das Feuer. Schließlich, so die Grünen-Abgeordnete Helga Trüpel (60), gestalten sie „mit Inhalten, die andere erstellt haben, ein attraktives Umfeld für ihre Werbekunden und machen so Milliardenumsätze, ohne die Urheber an den Einnahmen zu beteiligen“. Sie kämpft für die Reform, weil diese die Voraussetzung für ein faires Internet ist, sagt Trüpel. Noch ist die Reform nicht beschlossen, denn die entscheidende letzte Runde zum Schutz der Rechte steht erst noch bevor: In Kürze beginnt der sogenannte Trilog, eine Art Vermittlungsverfahren, bei dem die Vertreter des EU-Parlamentes mit den Beauftragten der Mitgliedstaaten verhandeln. Wie das digitale Urheberrecht dann am Ende der Verhandlungen aussieht, scheint noch völlig offen.
Helga Trüpel: Nein, das ist falsch.
Trüpel: Das ist Unsinn. Links bleiben frei nutzbar. Es gibt auch keine Steuer auf Links.
Trüpel: Das ist Blödsinn. Youtube wehrt sich gegen sogenannte Uploadfilter, mit denen Urheberrechtsverstöße verhindert werde sollen. Dabei haben Unternehmen wie Facebook diese seit zehn Jahren im Einsatz.
Trüpel: Das ist Unfug. Im Übrigen haben es die zeitweise diskutierten Uploadfilter nie in die Vorlage geschafft.
Trüpel: Nein. Die Betreiber der Plattformen sind zwar verantwortlich dafür, dass ihre Inhalte ordentlich lizensiert werden. Wie sie das machen, ist ihre Sache. Da gibt es viele Möglichkeiten. Von Uploadfiltern ist im Gesetzestext keine Rede mehr.
Trüpel: Wir müssen dafür sorgen, dass das Internet nicht nur frei bleibt, sondern auch fair wird. Die digitale Revolution hat dazu geführt, dass Millionen von Songs, Bildern, Videos und Texten ins Internet hochgeladen werden, ohne dass deren Urheber etwas davon haben. Wir wollen und müssen diese Urheber schützen, weil es sonst nämlich niemanden mehr geben wird, der seine Werke anbietet.
Trüpel: Die Angstkampagnen von Youtube und Google stecken voller Halbwahrheiten und Lügen. Die Reform wird nicht zur Zensur führen, sondern zur Lizensierung. Anders gesagt: Wir wollen die Meinungsvielfalt im Netz sicherstellen, damit Künstler und Schaffende künftig auch von ihren Beiträgen leben können.
Trüpel: Das Geschäftsmodell von Google, Facebook und anderen basiert darauf, dass sie gigantische Werbeeinnahmen mit Inhalten erzielen, die sie selbst überhaupt nicht geschaffen haben. Die Reform soll dafür sorgen, dass ein angemessener Teil dieser Einnahmen eben genau denjenigen zugutekommt, die diese Inhalte erstellt haben.
Trüpel: Der Artikel elf soll sicherstellen, dass Presseverleger ihre Rechte für die kommerzielle Nutzung von Ausschnitten von Artikeln bei den News-Seiten-Betreibern durchsetzen können. Dazu müssen die Internet-Konzerne Lizenzverträge mit den Rechteverwertern abschließen. Auf diesem Wege profitieren auch die Autoren der Beiträge davon. Und das ist schließlich nur fair.