Für einen kurzen Moment kommt im Sitzungssaal des Brüsseler Ratsgebäudes so etwas wie Rührung über den besonderen Moment auf: Nur wenige Augenblicke vorher haben die Umweltminister der 28 EU-Mitgliedstaaten dem Weltklimavertrag zugestimmt. Aber dieses Ja bedeutet viel mehr: Das historische Abkommen, das im Dezember des vergangenen Jahres in Paris ausgehandelt wurde, kann damit noch in diesem Jahr in Kraft treten.
Höchstens zwei Grad darf die durchschnittliche Temperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter steigen. Maximal 1,5 Grad wären noch besser. Das bedeutet: Zwischen 2045 und 2060 werden die Kohlendioxid-Emissionen auf Null zurückgedreht und das schon vorhandene CO2 wieder aus der Atmosphäre „gewaschen“. Und: Ab 2040 müsste die Verbrennung fossiler Energieträger enden.
Historischer Tag
EU-Klimaschutz-Kommissar Miguel Arias Canete konnte es kaum fassen, dass der Kompromiss gelungen war: „Wir haben es tatsächlich geschafft“, sagte er nach dem Treffen am Freitag. „Das ist ein historischer Tag.“
Was die Einigung der Europäer wert ist, zeigt die Rechnung, die man in Paris vereinbart hatte: Wenn 55 Prozent der fast 200 Unterzeichnerstaaten der Vereinbarung zustimmen, die zugleich 55 Prozent des Treibhausgases ausstoßen, kann sie in Kraft treten. Bis zum Freitagmorgen hatte zwar die erforderliche Anzahl von Staaten den Pariser Pakt gebilligt, aber es waren erst knapp 48 Prozent des CO2-Ausstoßes erfasst. Mit den zwölf Prozent – dem europäischen Anteil an den Emissionen – war das Ziel erreicht. Wenn am 7. November die Länder der Welt in Marrakesch wieder zusammengenommen, können sie den Vertrag verbindlich in Kraft setzen.
Doch dazu musste die EU sich anstrengen. Zunächst hatte sich vor allem Polen quergelegt, weil das Land seine Energie zu 85 Prozent aus Kohlekraft bezieht. Dann drohten Italien und einige andere EU-Familienmitglieder damit, eine Einigung zu behindern. Sie bestanden darauf, dass das Klimaschutz-Abkommen nicht nur auf europäischer Ebene ratifiziert wird, sondern auch die 28 nationalen Parlamente befragt werden.
Selbst Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die sich in Brüssel von ihrem Staatssekretär Jochen Flasbarth vertreten ließ, war am Freitagmorgen noch unsicher: „Es kann noch sein, dass es nicht klappt“, erklärte sie. Doch dann verständigte man sich auf ein Eilverfahren: In der kommenden Woche soll zunächst das Europäische Parlament die Einigung billigen. Damit ist der Weg für einen Beitritt der EU zum Weltklimavertrag frei. Anschließend werden die Abgeordnetenkammern der Mitgliedstaaten befragt, so dass auch die Umweltminister zufrieden sein konnten.
„Die letzten Blockaden wurden gelöst“, sagte der SPD-Umweltexperte und Europaabgeordnete Jo Leinen. „Die EU soll weiterhin ihre Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel beibehalten“, unterstrich der CDU-Europapolitiker Peter Liese. Allerdings hat die EU noch eine Menge Arbeit vor sich. Denn bislang ist völlig unklar, was die einzelnen Mitgliedstaaten beitragen müssen, damit das europäische Gesamtziel erreicht wird. Die Kommission hatte bislang darauf verzichtet, nationale Vorgaben zu erlassen. Diese wären inzwischen wohl ohnehin hinfällig, weil sich durch den absehbaren Austritt der ökologisch ambitionierten Briten aus der Union die nationalen Ziele verschieben werden.
Mit anderen Worten: Jedes EU-Land muss sich noch mehr anstrengen. Auch Deutschland. Die Energiewende allein reicht nicht.