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Brüssel
EU legt Notmaßnahmen für den Fall eines harten Brexit vor
In Brüssel schwindet der Glauben daran, dass der Austrittsvertrag doch von Großbritannien akzeptiert wird.
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:57 Uhr

Was passiert am Sonntag, dem 30. März 2019, Tag Eins nach dem Brexit? Man wolle „auf alle Eventualitäten vorbereitet sein“, schreibt die Brüsseler EU-Kommission in einem Bericht, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Er enthält 14 Maßnahmen für den Notfall eines Brexit ohne Austrittsabkommen, die zeigen: Das oft beschriebene und befürchtete Chaos kann durchaus Realität werden.

Die EU will alles tun, „um den schlimmsten Schaden eines ‚No Deal‘-Szenarios zu begrenzen“. Schon vor gut einem Jahr warnte Ryanair-Chef Michael O’Leary davor, dass nach dem Stichtag keine Flugverbindungen mehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU stattfinden würden. Er hatte offenbar Recht. Aber die Kommission sichert in ihrem gestrigen Szenario zu, dass einige Verbindungen wenigstens übergangsweise aufrechterhalten werden sollen - vorausgesetzt, Großbritannien erklärt sich ebenso dazu bereit. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, ihre Grenzschutz-Beamten zu informieren, dass bei der Einfuhr von Waren aus Großbritannien Zölle wie bei jedem anderen Drittstaat anfallen.

Um das erste Durcheinander zu vermeiden, sollten Zollerklärungen für den Im- und Export bereitliegen. In jedem Fall müsse eine „Basisversorgung“ sichergestellt werden. Britische Lkw dürften also vorerst weiter innerhalb der EU fahren, wenn London das auch umgekehrt erlaubt. Um die Finanzströme zwischen dem Kontinent und der Insel nicht zu unterbrechen, sollen die Verbindungen zwischen den Banken vorerst aufrechterhalten bleiben. Die zentrale Abwicklung von Finanzderivaten können für etwa zwölf Monate fortgesetzt werden, hieß es in Brüssel.

Auch beim Deutschen Bankenverband macht man sich große Sorgen. „100 Tage vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU ist der harte Brexit wahrscheinlicher denn je“, sagte Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid in Berlin. „Dies bedeutet: Wenn im britischen Unterhaus in der dritten Januarwoche weiterhin keine Mehrheit für den Austrittsvertrag zustande kommt, müssen Unternehmen und Banken in den Notfallmodus übergehen.“ Die bestehenden Rechtsrahmen für Finanzgeschäfte und den Handel gelten dann nicht mehr.

Große Unsicherheiten dürfte es auch für EU-Bürger geben, die im Vereinigten Königreich leben – ebenso wie Briten in den EU-Staaten. Brüssel riet den 27 Regierungen deshalb, zunächst „einen großzügigen Ansatz“ bei der Gewährung eines legalen Aufenthaltsstatus anzuwenden. Außerdem wäre es sinnvoll, erste Absprachen zur Sozialversicherung zu treffen, beispielsweise für den Schutz im Krankheitsfall. „Das sind notwendige Vorsorgemaßnahmen, die wir den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft schuldig sind“, sagte der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU), der zugleich Brexit-Beauftragter seiner Fraktion ist. „Wir müssen die Folgen eines harten Brexit unter Kontrolle halten. Bei allen Bemühungen um die Mehrheitsfähigkeit des Austrittsabkommens müssen die EU und die Mitgliedstaaten auf die allerhärteste Form des Brexit vorbereitet sein. Das ist keine Drohung, sondern eine fürsorgliche Pflicht.“

Tatsächlich scheint der Weckruf notwendig zu sein. Erhebungen der Wirtschaftsverbände zeigten in dieser Woche, dass bisher nur wenige Betriebe auf die Folgen eines harten Bruchs zwischen der EU und Großbritannien eingestellt sind. Hinzu kommt, dass die Gemeinschaft regelrecht geschockt auf eine Aussage des britischen Verteidigungsministers Gavin Williamson von Dienstag reagierte. Der hatte angekündigt, dass im Falle eines ungeordneten Austritts seines Landes 3500 Soldaten in Alarmbereitschaft versetzt würden, um aufkommende Probleme schnell auszuräumen.

 
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