Krisenstimmung wollte beim besten Willen nicht aufkommen. Kurz bevor die Staats- und Regierungschefs am gestrigen Abend zu ihrem Gipfeltreffen in Brüssel zusammenkamen, hatte vor allem Deutschland für Entspannung gesorgt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schließe eine Aufstockung des neuen Krisenfonds ESM keineswegs völlig aus, bestätigten Merkel-Vertraute in Brüssel. Dies sei jedoch noch nicht „der richtige Zeitpunkt für eine Entscheidung“, ob der ESM ab 1. Juli mit mehr Mitteln aufgefüllt werden solle. Es sei durchaus denkbar, die nicht verbrauchten Mittel des EFSF-Rettungsschirms in den ESM zu übertragen – und schon habe man statt 500 immerhin 750 Milliarden Euro.
Entscheiden will man frühestens Ende des Monats, auf jeden Fall aber vor der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds Mitte April. Das war zwar alles nicht neu, machte sich aber gut, so kurz vor dem Aufbruch von 25 der 27 Mitgliedstaaten in eine schuldenfreie Zukunft. Denn am heutigen Freitagmorgen steht die Unterzeichnung des historischen Vertrages über eine Stabilitätsunion (Fiskalpakt) auf dem Programm. „Die Regierungschefs in Europa haben ihre gegenseitige Abhängigkeit verstanden“, zeigte sich Kommissionspräsident José Manuel Barroso zufrieden und lobte: „Die EU steht heute besser da als vor der Krise.“
Schuldenverzicht
Nicht einmal das griechische Problem konnte den Gipfelteilnehmern die Laune vermiesen. Unmittelbar vor der Ankunft der Staats- und Regierungschefs hatten sich die Euro-Finanzminister wieder getroffen, um den Stand der Arbeiten in Athen zu prüfen. Zum ersten Mal seit Monaten zeigte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dabei zufrieden: „Was ich vorab gehört habe, sieht danach aus, dass Griechenland große Fortschritte gemacht hat“, meinte er und signalisierte, dass man nun die ersten 30 der insgesamt 130 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket freigeben könne. Das ist auch notwendig, denn mit dem Geld will man die privaten Gläubiger Athens locken, sich „freiwillig“ auf den geplanten Schuldenverzicht einzulassen. Sie müssen nun bis zum 9. März zustimmen. „Das sieht wirklich alles sehr gut aus“, bestätigte auch Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker.
Tatsächlich ist die Stimmung umgeschlagen. Daran hatte nicht nur die 500-Milliarden-Euro-Schwemme der Europäischen Zentralbank für die Geldinstitute vom Mittwoch ihren Anteil. „Schauen Sie sich doch mal die langfristige Entwicklung der Zinsen und Risikoaufschläge für italienische, spanische und sogar griechische Anleihen an“, sagte der hohe EU-Mitarbeiter aus dem Währungskommissariat. „Alle fallen.“ Hinzu kam, dass sich Spanien und Frankreich am Donnerstag zu günstigen Konditionen gut 530 Milliarden Euro beschaffen konnten. Fast 800 Banken griffen zu und straften damit die Ratingagenturen, die die Bonität beider Staaten heruntergestuft hatten, Lügen.
Derweil gab die Bundeskanzlerin bereits die Losung für die nächsten „Herausforderungen Europas“ aus: „Wir brauchen jetzt Wachstum – für Griechenland, aber eben auch Wachstum in der europäischen Zone insgesamt.“ Rund 24 Millionen Menschen sind in den 27 Mitgliedstaaten ohne festen Job. Die Wirtschaftsdaten belegen eine massive Rezession in der Währungsunion, von der die Mehrheit der 17 Euro-Länder betroffen ist. „Beschäftigung muss jetzt unsere erste Priorität sein“, betonte Barroso.
Bei so viel guter Stimmung wollten dann auch die Rumänen nicht länger im Abseits stehen. Wenige Stunden vor Beginn des Gipfeltreffens zogen sie ihr Veto gegen eine Ernennung Serbiens zum offiziellen EU-Beitrittskandidaten zurück. Am Abend stimmte der EU-Gipfel einstimmig für die Aufnahme des Landes – wann auch immer.