
Tomaten aus Kalifornien, Bourbon-Whiskey aus Tennessee, Harley-Motorräder aus Wisconsin – die EU hat bereits erste Ideen, wie sie auf amerikanische Zölle für Stahl und Aluminium reagieren will: mit Gegenmaßnahmen und eigenen Importabgaben. Getroffen werden sollen Unternehmen in den Wahlbezirken führender US-Politiker. Ist ein Handelskrieg wirklich schon unausweichlich?
Die Wirtschaftsfachleute der EU-Kommission müssen an diesem Wochenende Überstunden machen. Zwar kam die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, in der kommenden Woche ausländische Stahlimporte mit 25-prozentigen Zöllen und Aluminium-Einfuhren mit zehn Prozent zu belegen, nicht unerwartet.
Dennoch will Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zügig „deutlich machen, dass wir in geeigneter Weise reagieren würden, und das werden wir auch.“ Nun sollen die Handelsexperten der Union eine Liste erstellen, von der noch niemand weiß, wie sie aussehen könnte. Denn die Union muss sich darüber klar werden, ob sie mit Nadelstichen antwortet oder gar einem umfassenden System höherer Zölle auf Lieferungen aus den USA.
Es wäre ein glatter Bruch der geltenden Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO). „Wir sollten zu Gegenmaßnahmen greifen, die genau dort treffen, wo republikanische Trump-Politiker das an ihrer Basis zu spüren bekommen“, sagte Daniel Caspary, Chef der CDU-Abgeordneten im EU-Parlament und Handelspolitiker seiner Fraktion, dieser Redaktion. „Wir wollen es nicht übertreiben, aber deutlich signalisieren, dass wir uns das nicht gefallen lassen.“
„Wir brauchen Gegenmaßnahmen in Form von Zöllen auf amerikanische Produkte und ein Verfahren gegen die USA bei der WTO“, erklärte auch der Chef des Handelsausschusses in der europäischen Abgeordnetenkammer, Bernd Lange (SPD), auf Anfrage.
Dabei wissen alle, dass ein WTO-Prozess lange dauern kann – nicht zuletzt deswegen, weil beim Schiedsgericht vier von sieben Richterstellen unbesetzt sind. Washington verhindert seit Jahren deren Neubesetzung und kann nun auch davon profitieren. Dennoch dürfte die EU einen Weg im Einklang mit der WTO gehen, weil sie ihre eigene Stahl- und Aluminium-Branche schützen muss.
Die gerät nämlich doppelt unter Druck: Nicht nur die zu erwartenden Umsatzeinbußen durch die US-Zölle schmerzen. Hinzu komme auch noch der gewaltige Druck, weil andere Billighersteller nun auf den europäischen Markt drängen werden, befürchtet EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.
Dabei bezweifeln die Experten, dass Trump seiner eigenen Stahlbranche mit Zöllen für ausländische Konkurrenten wirklich helfen würde. Deren Probleme, so heißt es in Brüssel, seien nämlich nicht die Konkurrenten aus Übersee, sondern verkrustete Strukturen und eine miserable Wettbewerbsfähigkeit. Caspary: „Trump schadet der eigenen Industrie, weil das eigentliche Problem wieder einmal nicht angegangen wird.“
Lange sieht deshalb sogar noch Chancen, dass die US-Regierung die angekündigten Maßnahmen erst gar nicht in Kraft setzt: „Ich denke, dass die USA einlenken“, sagte er. „Offenbar gab es offenen Streit und lautstarke Auseinandersetzungen im Weißen Haus, ob solche Zölle erlassen werden sollen.“ Führende Regierungsmitglieder wie Außenminister Rex Tillerson hätten sich gegen protektionistische Maßnahmen ausgesprochen.
Trotzdem sind in Brüssel die Vorarbeiten angelaufen. Am Freitag zeichnete sich ab, dass vor allem landwirtschaftliche Produkte, möglicherweise aber auch Waren aus dem IT-Bereich mit zusätzlichen Abgaben bei der Einfuhr nach Europa belegt werden könnten. Für Häuser wie Apple, Google oder Microsoft könnte das ein spürbarer Rückschlag werden.