Griechenlands früherem Finanzminister Giorgos Papakonstantinou drohen ein Strafverfahren und, im Fall eines Schuldspruchs, langjährige Haft wegen Urkundenfälschung und Pflichtverletzung. Das Parlament in Athen beschloss nach einer Marathonsitzung am frühen Freitagmorgen mit großer Mehrheit, den Ex-Minister vor einen Untersuchungsausschuss zu stellen. Er soll die Vorwürfe prüfen. Danach muss das Parlament entscheiden, ob der frühere Minister vor ein Sondergericht gestellt wird.
Im Mittelpunkt der Affäre steht die sogenannte Lagarde-Liste, eine CD mit den Daten von über 2000 Griechinnen und Griechen, die Konten bei der Genfer Niederlassung der Großbank HSBC unterhielten. Es geht um möglicherweise unversteuerte Einlagen von rund zwei Milliarden Euro. Papakonstantinou erhielt die Steuer-CD 2010 von seiner damaligen französischen Kollegin Christine Lagarde. Er wird beschuldigt, die Daten kopiert und dabei die Namen von drei Verwandten gelöscht zu haben. Die Original-CD ist spurlos verschwunden.
Papakonstantinou, der von 2009 bis 2011 in der Regierung des Sozialisten Giorgos Papandreou das Finanzressort leitete, bestreitet die Vorwürfe und sieht sich als Opfer eines Komplotts: „Ich habe als Finanzminister vielen Leuten Gefälligkeiten verweigert“, was ihm Feinde eingebracht habe, sagte er.
Der Fall erregt weit über die Grenzen Griechenlands hinaus Aufsehen, weil er als Prüfstein dafür gilt, wie ernst es die griechischen Politiker mit dem Kampf gegen die Steuerhinterziehung meinen. Die Lagarde-Liste blieb über zwei Jahre ungenutzt. Der jetzige Finanzminister Giannis Stournaras setzte die Steuerfahndung auf die Kontoinhaber an. Die Steuerhinterziehung ist eine der Ursachen der Finanzkrise des Landes.