Der „König der Feiern“ sei er gewesen, schreiben die Untersuchungsrichter über Dominique Strauss-Kahn, der „zentrale Dreh- und Angelpunkt“ bei den ausschweifenden Sex-Partys, die zwischen 2009 und 2011 in Luxus-Hotels oder angemieteten Wohnungen stattfanden. Strauss-Kahn gilt den Juristen nicht nur als harmloser Teilnehmer, sondern als einer der Hauptorganisatoren.
Jetzt zitierte die Zeitung „Figaro“ aus einem Bericht der ermittelnden Richter in dem Prozess wegen „schwerer gemeinschaftlicher Zuhälterei“, der dem früheren Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) und zwölf weiteren Personen, darunter ranghohen Polizisten und Geschäftsleuten, im nächsten Jahr gemacht wird.
Die Anklage stellt einen weiteren Rückschlag für den 64-Jährigen dar, der als renommierter Ökonom beste Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur der Sozialisten hatte, bevor ihn die Vergewaltigungsklage der Hotelangestellten Nafissatou Diallo in New York im Mai 2011 um seinen Posten und den guten Ruf brachte. Zwar wurde das Verfahren in den USA eingestellt, weil Diallos Glaubwürdigkeit infrage stand, aber in Frankreich folgten weitere Sex-Vorwürfe.
Die folgenreichste von ihnen ist die „Carlton-Affäre“, die durch das Aufdecken eines Callgirl-Rings rund um das Carlton-Hotel in Lille aufkam, sich aber nicht nur auf die nordfranzösische Stadt beschränkte. Regelmäßig wurden ausschweifende Abende mit Prostituierten in Paris, Wien oder Washington organisiert – je nachdem, wo sich Strauss-Kahn gerade aufhielt und wann er Zeit hatte. Das sehen die Richter ebenso als Indiz für seine aktive Beteiligung wie die SMS, in denen er die Frauen als „Geschenk“ oder „Material“ bezeichnete. Die Kosten übernahmen stets seine Freunde, die sich womöglich spätere Vorteile erhofften angesichts Strauss-Kahns blendender Karriereaussichten.
DSK, wie sein Name in Frankreich abgekürzt wird, leugnet seine Beteiligung nicht. Er habe aber geglaubt, die Frauen machten aus Spaß an den Sex-Partys mit und auch nicht weiter nachgeforscht: „Wenn Ihnen jemand eine Freundin vorstellt, fragen Sie nicht, ob sie eine Prostituierte ist.“
Während ihn die Mitangeklagten und auch einige der Frauen entlasten, sagen andere der Prostituierten, ihr Metier sei offensichtlich gewesen – schon allein durch den Ablauf der Abende: Es habe sich um „sexuellen Konsum“ und pure Dienstleistung gehandelt, nicht um ein gegenseitiges Liebes- und Verführungsspiel. Strauss-Kahn sei brutal vorgegangen, erklärten einige der Frauen. Seine angebliche Ahnungslosigkeit sei eine reine Verteidigungsstrategie, schreiben die Untersuchungsrichter. Einmal habe Strauss-Kahn selbst eine Wohnung gemietet und später versucht, diese Spur zu verwischen. Angesichts seiner Prominenz habe er seine sexuellen Ausschweifungen geheim halten wollen.
Deren Enthüllung hatte in Frankreich eine Schockwirkung. Einst der mit Abstand beliebteste Politiker, hat DSK jedes Ansehen verloren, trotz seiner nach wie vor anerkannten wirtschaftlichen Kompetenz. Er hält Vorträge bei internationalen Konferenzen, die serbische Regierung soll ihm sogar eine Stelle als Wirtschaftsberater angeboten haben. Auch im französischen Senat sprach er im Juni als Experte zur Rolle der Banken bei Steuerflucht. Den Ruf eines Lustmolches wird er aber nicht mehr los, und der anstehende Prozess wird diesen Ruf noch stärken.