
Requiem im Veitsdom und 21 Salutschüsse: Mit einem Staatsakt wie für einen böhmischen König haben die Tschechen ihrem gestorbenen Ex-Präsidenten Vaclav Havel das letzte Geleit gegeben. In der Kathedrale der Prager Burg verneigten sich am Freitag rund 1000 Trauergäste, darunter Bundespräsident Christian Wulff, vor dem Politiker.
„Für dich war der Kampf um Freiheit immer nur ein Mittel zu etwas Höherem, zur Wahrheit“, sagte die in Prag geborene frühere US-Außenministerin Madeleine Albright in ihrer Trauerrede. Der in eine tschechische Nationalflagge gehüllte Sarg von Havel wurde anschließend zu einer privaten Trauerfeier der Familie gefahren.
Ein mutiger Idealist
„Vaclav Havel war ein mutiger Idealist, der zu Risiken und Opfern bereit war“, sagte der christdemokratische Ex-Außenminister Cyril Svoboda der Deutschen Presse-Agentur. „Er verlor nie seine Zweifel, auch an sich selbst nicht, und blieb stets seinen Idealen treu.“
Außenminister Karel Schwarzenberg betonte in seiner Trauerrede, eine Gesellschaft dürfe nie nachlassen im Streben um Wahrheit und Liebe. Dies sei eine der zentralen Botschaften von Havel, sagte der Adelige, der einst Kanzleichef des Staatschefs war. Präsident Vaclav Klaus würdigte seinen Vorgänger bei der Trauermesse als große Persönlichkeit und Patrioten, der Tschechien viel hinterlasse.
Vor dem aufgebahrten Sarg standen Havels Witwe Dagmar und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Ivan. An dem gut zweistündigen Staatsakt nahmen auch US-Außenministerin Hillary Clinton, der britische Premierminister David Cameron und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy teil. Auch Ex-US-Präsident Bill Clinton, Polens Ex-Präsident Lech Walesa, EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek und viele andere Staatsgäste waren nach Prag gereist. „Der Weltbürger Havel brachte Licht in die finstersten Räume“, sagte Albright in ihrer auf Tschechisch gehaltenen Trauerrede.
Der Staatsakt begann mit dem Requiem des Nationalkomponisten Antonin Dvorak, gespielt von der Tschechischen Philharmonie. Der Fernsehsender CT24 zeigte, wie landesweit Tausende bei einer Gedenkminute stillstanden. Erzbischof Dominik Duka würdigte den am vergangenen Sonntag im Alter von 75 Jahren gestorbenen Havel als historische Persönlichkeit, deren Träume von einer demokratischen Zivilgesellschaft sich erfüllt hätten.
Nach der Messe erklangen vom nahen Petrin-Hügel 21 Salutschüsse, und sechs Soldaten einer Ehrengarde trugen den Sarg zu einem Fahrzeug. Eine große Menschenmenge vor dem Veitsdom würdigte den gestorbenen Staatschef mit Händeklatschen, als der Wagen vorbeifuhr und das Areal der Burg verließ.
Havels Leichnam sollte am späten Nachmittag eingeäschert und im Kreis der Familie nach Weihnachten in der Prager Familiengruft beigesetzt werden. Am Abend wollten Rockstars wie Suzanne Vega und Ivan Kral am Wenzelplatz bei einem Konzert unter dem Motto „Auf Wiedersehen, Vaclav“ Havel gedenken.
Das „Leben in Wahrheit“
Vaclav Havel war für viele ein kompromissloser Kämpfer für ein „Leben in Wahrheit“. Doch der tschechische Dichterpräsident, der sein Land in NATO und EU führte, suchte auch die Nähe zu den Mächtigen dieser Welt. Er blieb aber bis zu seinem Tod unangepasst und ein freier Geist. Beim Tee mit dem US-Präsidenten oder bei einer Diskussion mit dem Papst wusste der Staatschef stets, dass er mit der Größe seines Zehn-Millionen-Einwohner-Landes international kaum punkten konnte. Es war seine Biografie, sein „Leben in Wahrheit“ mit allen Konsequenzen von Verfolgung bis Haft, die Tschechien politische Dividende brachte. Ohne die persönliche Integrität Havels, meint etwa der Prager Politologe Jiri Pehe, wären der Beitritt zu NATO (1999) und EU (2004) nicht so selbstverständlich erfolgt.
Politiker mit Mut
An Gegnern hatte Havel nie Mangel. Seine Verbalduelle mit dem Neoliberalen Vaclav Klaus sind Legende. Dissidentenfreunde wandten sich enttäuscht ab, als Havel sich etwa für die Waffengänge des Westens gegen Jugoslawien und den Irak aussprach und „falschen Pazifismus“ geißelte. Damit meinte er auch Deutschland, das eine Teilnahme am Krieg gegen Bagdad ablehnte.
Die Töne aus Deutschland waren ihm oft zu „dröhnend“. Lieber traf er sich mit österreichischen Politikern wie Thomas Klestil oder Helmut Zilk. Zwar reichte Havel früh den Vertriebenen die Hand, und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker war ihm ein guter Freund. Aber auch für Havel war Deutschland vor allem „Schmerz und Inspiration“, wie er das leidvolle Nachbarschaftsverhältnis einmal charakterisierte. Text: dpa