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Erdogan wirft Yücel Spionage vor
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:29 Uhr

Die deutsch-türkischen Beziehungen sind an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Nach der kurzfristigen Absage seines Auftrittes im baden-württembergischen Gaggenau hat der türkische Justizminister Bekir Bozdag Deutschland „faschistisches Vorgehen“ vorgeworfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Kritik zurück. Wenn eine Veranstaltung von einer Kommune wegen Sicherheitsbedenken abgesagt werde, bedeute das keine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Die für Integration zuständige Staatsministerin Aydan Özoguz, selbst Tochter türkischer Gastarbeiter, nannte die harschen Reaktionen aus Ankara „völlig überzogen“ und „verstörend“. Wörtlich sagte die SPD-Politikerin: „Keinem der beiden Länder ist mit der derzeitigen politischen Eskalation gedient.“

Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich enttäuscht über die Entwicklung in der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan. „Als freiheitlich gesonnener Demokrat und Europäer ist mir die Entwicklung in der Türkei selbstverständlich suspekt“ , sagte er. Er sehe da „eine abschüssige Ebene, bei der wir nicht wissen: Wo ist das Ende der Rechtsstaatseinschränkungen? Geht das so weiter?“

Im „Spiegel“ nannte er die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei inakzeptabel. Der Vorgang lasse einen fragen, ob die Türkei noch den Anspruch habe, ein Rechtsstaat zu sein. Es mache ihn traurig, dass eine liberale Demokratie in der Türkei in immer weitere Ferne rücke und stattdessen „ein autoritäres, religiös verbrämtes Führungssystem“ Fuß fasse.

Etwa 200 Menschen haben vor dem türkischen Generalkonsulat in Stuttgart für die Freilassung von Yücel demonstriert. Unterdessen bezeichnete Erdogan den inhaftierten Journalisten als „deutschen Agenten“. „Als ein Vertreter der PKK, als ein deutscher Agent hat sich diese Person einen Monat lang im deutschen Konsulat versteckt“, sagte der türkische Präsident am Freitagabend nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Istanbul.

Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) betonte: „Die Zeit der leisen Töne ist vorbei.“ In einem Brief an seinen türkischen Kollegen Bozdag kritisiert er das Vorgehen der türkischen Behörden im Fall Yücel. Er sei in großer Sorge um die deutsch-türkische Freundschaft. Befürchtungen, durch die neue Eiszeit könnte das Flüchtlingsabkommen mit der EU wackeln, wies seine Parteifreundin Aydan Özoguz aber zurück: „Unabhängig von allen diplomatischen Spannungen in den vergangenen Monaten hat sich die Türkei an die Abmachungen gehalten.“ Zuvor hatte Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit Konsequenzen gedroht. Das türkische Volk, sagte er, sei „einem systematischen Druck“ durch Deutschland ausgesetzt. Er erwarte jedoch eine Behandlung „als ebenbürtiger Partner“. Am 8. März will Cavusoglu in Berlin den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel treffen. Nach Angaben der Bundesregierung gibt es noch keine offizielle Anfrage aus der Türkei für eine Wahlkampfkundgebung von Erdogan in Deutschland.

Eine Veranstaltung mit Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci, der am Sonntag in Köln hatte auftreten wollen, ist dagegen geplatzt. Der Betreiber einer Halle im nahegelegenen Frechen, in die Zeybekci ausweichen wollte, zog seine Zusage wieder zurück. Der Vertrag zwischen dem Eigentümer der Halle und deren Betreiber schließe „ohnehin politische Veranstaltungen“ aus, hieß es.

Der Vorgang geht offenbar auf ein Einschreiten des zuständigen Landrats zurück. In enger Abstimmung mit der Polizei habe Landrat Michael Kreuzberg klären lassen, welche Möglichkeiten es gebe, um den Auftritt des türkischen Politikers zu verhindern. So sei man auf den Vertrag und die Situation mit Eigentümer und Pächter gestoßen, sagte Simon Schall, der Sprecher des Rhein-Erft-Kreises.

In Leverkusen ist am Sonntag ein weiterer Auftritt Zeybekcis bei einer Kulturveranstaltung geplant. Diese soll nach bisherigen Plänen auch stattfinden.

Mit Informationen von dpa und AFP

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