Die türkische Regierung sieht keinen Grund für eine Absage des Köln-Besuches von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Wochenende. Im Ministerpräsidentenamt von Ankara hieß es am Dienstag, Erdogan werde wie geplant nach Deutschland reisen. In Köln will Erdogan am Samstag bei einer Rede vor Zehntausenden Zuhörern um Stimmen bei der Präsidentenwahl im August werben. In Ankara übernahm der 60-Jährige die politische Verantwortung für das Grubenunglück von Soma, griff aber seine Kritiker und auch die ausländischen Medien als „Grabräuber“ an.
In einer Rede vor der Parlamentsfraktion der AKP sagte Erdogan, als Ministerpräsident sei er für alles verantwortlich, selbst „für ein Schaf, das am Ufer des Tigris von einem Wolf gerissen wird“. Die Schuldigen für den Tod von 301 Bergleuten in Soma würden zur Rechenschaft gezogen. Im Gegensatz zu Äußerungen in der vergangenen Woche, als er Bergwerksunglücke als normal bezeichnete, kündigte er nun schärfere Kontrollen und andere „notwendige Lehren“ aus der Katastrophe an.
Gleichzeitig ging Erdogan zum Angriff auf seine Kritiker über. Ausländische Medien hätten „falsche und manipulierte Nachrichten“ über das Unglück verbreitet. „Das werden wir nicht hinnehmen.“ Im Internet haben Erdogan-Unterstützer eine Kampagne gegen den Türkei-Korrespondenten des „Spiegel“, Hasnain Kazim, gestartet, weil dieser in einer Überschrift einen Bergarbeiter mit dem Satz zitierte hatte: „Scher‘ dich zum Teufel, Erdogan“. Kazim berichtet von einer „Hasskampagne“ und Morddrohungen.
Aus dem Ministerpräsidentenamt verlautete, Erdogan werde bei seinem eintägigen Besuch auch politische Gespräche führen. Einzelheiten stünden noch nicht fest. Für Erdogan sind die rund 1,5 Millionen türkischen Wähler in Deutschland – die mit Abstand größte Gruppe unter den rund fünf Millionen im Ausland lebenden Türken – bei der Präsidentenwahl am 10. August von hoher Bedeutung.
Bei seinem umstrittenen Auftritt in Köln erwarten den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Samstag massive Proteste. Die Alevitische Gemeinde Deutschland rechnet bei ihrer Gegenkundgebung mit mehreren Zehntausend Teilnehmern aus mehreren europäischen Ländern, wie Sprecher Yilmaz Kahraman am Dienstag auf Anfrage sagte. Die Polizei will eine Konfrontation von Anhängern und Gegnern Erdogans verhindern, betonte ein Sprecher. Mit Informationen der DPa