Ein Palast auf einer Fläche von 50 Fußballfeldern, ein Atombunker, ein abhörsicheres „Oval Office“ für den Präsidenten – und das alles auf einem Gelände, das eigentlich nicht bebaut werden dürfte: Am Mittwoch wurde in Ankara der neue Palast von Staatschef Recep Tayyip Erdogan eingeweiht. Der in der Öffentlichkeit „Ak Saray“ – „Weißer Palast“ – genannte Riesenbau hat eine eigene Moschee, einen Kindergarten, genug Platz für mehrere Tausend Mitarbeiter, und kostete den Steuerzahler rund 280 Millionen Euro. In der türkischen Presse wird bereits über einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde als größter Palast der Welt spekuliert. Doch nicht alle sind begeistert.
Für den aus kleinen Verhältnissen stammenden Neu-Präsidenten Erdogan ist der Umzug in den „Ak Saray“ ein neuer Höhepunkt in seiner Karriere. Der 60-Jährige setzt mit seinem Amtssitz neue Maßstäbe und übertrifft den recht bescheidenen „Rosa Palast“ im Zentrum von Ankara, den Sitz der türkischen Präsidenten seit Staatsgründer Mustafa Atatürk, um ein Vielfaches.
Auch bei anderen Projekten hütet sich Erdogan vor allzu großer Bescheidenheit. Vor kurzem gönnte er sich ein neues Dienstflugzeug für mehr als 100 Millionen Dollar. In Istanbul entsteht derzeit eine neue Moschee, die mehr als 37 000 Gläubigen Platz bieten soll. Westlich der Metropole will Erdogan einen zweiten Bosporus graben lassen: einen Schiffskanal, der Schwarzes Meer und Marmara-Meer verbindet. Erdogan selbst spricht von einem „verrückten Projekt“.
In Ankara steht die bombastische Architektur des „Ak Saray“ für den Machtanspruch des Präsidenten und seines Landes, das sich als Regionalmacht zwischen Balkan, Kaukasus und Nahem Osten versteht. Wer in den „Ak Saray“ kommt, soll spüren, dass hier das Herz eines mächtigen Staates schlägt. Der „Rosa Palast“ wirkt im Vergleich wie eine Baracke. Der Erdogan-kritische Kolumnist Yilmaz Özdil spottete in der Zeitung „Sözcü“, für Erdogans Ego sei der neue Palast eigentlich noch zu klein.
„Illegaler Protzbau“
Nicht kleckern, sondern klotzen, lautet die Devise des „Ak-Saray“-Komplexes, dessen Name auf die „Ak-Partei“ von Erdogan anspielt und der rund tausend Zimmer hat. Es gibt ein eigenes Gebäude für den Empfang von Staatsgästen, osmanische und seldschukische Verzierungen, Springbrunnen, einen botanischen Garten und ein Kongresszentrum. Aufwendige Sicherheitseinrichtungen sollen das aus einem speziellen Stahlbeton errichtete Gebäude sogar bei einem Raketenangriff zur uneinnehmbaren Festung machen. Architekt Sefik Birkiye erfreut sich laut Presseberichten der besonderen Gunst Erdogans.
Regierungsgegner sind dagegen empört und sprechen von einem illegal errichteten Protzbau. Das Palastgelände gehört zum sogenannten Atatürk-Forsthof aus den Frühzeiten der 1923 gegründeten Republik und unterliegt theoretisch einem Bauverbot. Erdogans Palast wuchs trotzdem in die Höhe, mehrere Prozesse gegen den Bau haben das Projekt nicht stoppen können. Als ein Gericht im Frühjahr einen Baustopp anordnete, sagte Erdogan, seine Gegner könnten ruhig versuchen, das Gebäude wieder abzureißen. Die Bauarbeiten gingen weiter.
Inzwischen beschäftigt sich sogar das türkische Verfassungsgericht mit dem „Ak Saray“. Der Ankaraner Anwalt Sedat Vural argumentiert in seiner Klage, Erdogan habe mit dem Projekt und mit der Missachtung verfügter Baustopps gegen Grundsätze der Gewaltenteilung verstoßen. Einige Kritiker nennen den Palast inzwischen „Kac-Ak Saray“, den illegalen Palast.
Wenn sich Erdogan über diese Entwicklung Sorgen macht, dann zeigt er es nicht. Zum feierlichen Empfang zum türkischen Nationalfeiertag am Mittwoch, der gleichzeitig die offizielle Einweihung des „Ak Saray“ darstellt, waren 4000 Gäste eingeladen. Die säkularistische Partei CHP als stärkste Oppositionskraft im Parlament hatte bereits im Vorfeld angekündigt, den Empfang in Erdogans neuem Zuhause zu boykottieren. CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu kündigte an, dass er den „Ak Saray“ so rasch wie möglich wieder loswerden will. Wenn die CHP im kommenden Jahr die Parlamentswahl gewinnt, soll der Prunkbau einer Universität geschenkt werden.