Acht Minuten. So lange dauerte der Sinkflug des Airbus A320 der Fluggesellschaft Germanwings, der gestern über den französischen Alpen abgestürzt ist. Acht lange Minuten, in denen die 150 Menschen an Bord wohl Todesängste ausgestanden haben. Und herrschte zunächst große Unsicherheit über Ursache und Hergang des Unglücks, so wurde diese eine bittere Information schnell bestätigt: Überlebende gibt es nicht. 144 Passagiere und sechs Crewmitglieder befanden sich an Bord. Auch zwei Babys seien unter den Toten, sagte Thomas Winkelmann, Sprecher der Geschäftsführung von Germanwings, am Nachmittag bei einer Pressekonferenz. Die Zahl der deutschen Opfer gab er unter Vorbehalt mit 67 an.
Unter ihnen sind auch 16 Schüler und zwei Lehrererinnen eines Gymnasiums aus dem nordrhein-westfälischen Haltern am See. „Wir wissen, dass die Schülergruppe an Bord der Maschine gegangen ist“, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin und Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann dem WDR. Die Zehntklässler hatten einen Austausch mit einer spanischen Schule gemacht. Mittags wurde die Schule geschlossen, Schüler legten Blumen nieder. Bürgermeister Bodo Klimpel sprach vom „schwärzesten Tag in der Geschichte unserer Stadt“, der Schockzustand sei überall spürbar.
Schnellstmögliche Aufklärung
Auch 45 Spanier sollen sich in der Maschine befunden haben, die von Barcelona nach Düsseldorf unterwegs war – und deren Absturz Rätsel aufgibt. „Zusammen mit den französischen Behörden und den Experten vom Luftfahrtbundesamt werden wir alles tun, um die Ursachen des Unfalls umfänglich und schnellstmöglich aufzuklären“, sagte Winkelmann, der „tiefstes Bedauern gegenüber den Gästen, ihren Angehörigen und den Angehörigen der Crew“ ausdrückte.
Das Flugzeug hatte am frühen Morgen Düsseldorf in Richtung Barcelona verlassen. Von dort trat es kurz nach zehn Uhr, eine halbe Stunde später als geplant, den Rückflug an. Um 10.45 Uhr erreichte es laut Winkelmann die Reiseflughöhe von 11 600 Metern, verließ diese aber nach einer Minute und trat in den Sinkflug ein. Um 10.53 Uhr brach der Kontakt ab.
Am Flughafen in Düsseldorf betreuten 15 Notfall-Seelsorger die Angehörigen. Das Auswärtige Amt, die Fluglinie Germanwings und der Flughafen Düsseldorf richteten Hotlines ein. Bundespräsident Joachim Gauck, der sich gestern auf Staatsbesuch in Peru befand, brach seine Südamerikareise ab. „Ich bin bestürzt wie unendlich viele Menschen bei uns zu Hause, und ich stelle mir vor, welche Trauer, welches Entsetzen und welches Leid in den Familien herrschen, die betroffen sind“, sagte er. Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich erschüttert. In Begleitung der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wird sie sich heute in die Unfallregion begeben. Präsident François Hollande erklärte, ein Krisenstab sei eingerichtet worden. „Wir tragen die Trauer mit, denn diese Tragödie hat sich auf unserem Boden ereignet.“ Frankreichs Premier-, Umwelt- und Innenminister sowie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt machten sich auf den Weg zur Absturzstelle in der Region von Digne-les-Bains im Gebirgsmassiv von Estrop. Ein Militärhelikopter hatte das Flugzeugwrack auf 2700 Meter Höhe geortet. Das zerklüftete und verschneite Gebiet sei für Helikopter nicht erreichbar, erklärte Frankreichs Staatsminister für Verkehr, Alain Vidalies.
Nach dem heftigen Aufprall lagen Trümmer der Maschine in einem Umkreis von zwei Quadratkilometern herum. Hunderte Einsatzkräfte von Polizei, Gendarmerie und Feuerwehr wurden mobilisiert, um möglichst schnell mit den Bergungsarbeiten zu beginnen. „Da das Gebiet extrem abgelegen ist, stellen wir uns auf eine schwierige und langwierige Rettungsaktion ein“, sagte Pierre-Henry Brandet, Sprecher des französischen Innenministeriums. An der Klärung der Ursache beteiligen sich auch Fachleute der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. Hinweise für einen terroristischen Hintergrund gab es zunächst nicht, doch sagte der französische Premierminister Manuel Valls, es könne keine Hypothese ausgeschlossen werden.
Die Maschine gehörte mit gut 24 Jahren mit zu den ältesten der Germanwings-Flotte und wurde von dieser seit Januar 2014 genutzt, so Sprecher Winkelmann. Der letzte Routinecheck habe am Vortag des Unglücks stattgefunden – Auffälligkeiten gab es nicht.