
Als die US-Demokraten vor einem Monat ihre Erfolge bei den Midterms feierten, freuten sie sich besonders über Wisconsin. Seit acht Jahren wird der Bundesstaat im Mittleren Westen von einem knallhart konservativen Republikaner regiert. Sein demokratischer Herausforderer Tony Evers hatte im Wahlkampf eine Stärkung der Krankenversicherung, Steuersenkungen für Geringverdiener und eine Überprüfung der umstrittenen Milliarden-Subventionsgeschenke für den taiwanesischen Elektronikhersteller Foxconn in Aussicht gestellt.
Nach Stunden des Zitterns war die Sensation perfekt: Eine ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung beförderte nicht nur den 67-jährigen Evers mit 31 000 Stimmen Vorsprung ins Gouverneursamt, sondern verschaffte seiner Partei auch das wichtige Amt des Generalstaatsanwalts und sämtliche Kabinettsposten. Die Demokraten in Wisconsin sind so stark wie seit 28 Jahren nicht mehr.
Befugnisse drastisch beschnitten
Ihre zentralen Wahlversprechen werden sie trotzdem nicht umsetzen können – jedenfalls nicht auf absehbare Zeit. Der Grund: In einer Nacht- und Nebelaktion hat das republikanisch dominierte Landesparlament am Mittwoch die Befugnisse des neuen Gouverneurs drastisch beschnitten, noch bevor dieser am 7. Januar offiziell vereidigt wird. Zugleich besetzten die Abgeordneten auf einen Schlag 82 vakante Posten in der Verwaltung mit republikanischen Parteigängern. Die künftige Regierung kann nun weder den Arbeitszwang für Bezieher staatlicher Gesundheitsleistungen aufheben, noch die Foxconn-Subventionen verändern oder eine Klage des Bundesstaats gegen Obamacare zurückziehen.
Während der nächtlichen Abstimmung kam es im Kapitol von Wisconsin zu massiven Protesten. „Nein zur Machtergreifung“, stand auf Plakaten einiger Demonstranten. Andere skandierten: „Schützt unsere Wahlrechte!“ Auch landesweit sorgt der Coup für Aufregung und Empörung. „Die Republikaner sind bereit, das System zu manipulieren, um die Macht, die sie bei Wahlen verloren haben, zu behalten“, wettert Eric Holder, der Ex-Justizminister von Barack Obama. Die linksliberale Zeitschrift The Nation schlägt Alarm: „Das ist ein radikaler Anschlag auf unsere Demokratie.“
So unerhört die Last-Minute-Intervention des Parlaments in Madison erscheint - einzigartig ist sie nicht. Schon vor zwei Jahren hatten die Republikaner in North Carolina ebenfalls in letzter Minute die Befugnisse des neuen demokratischen Gouverneurs beschränkt. Und in Michigan bereiten die Republikaner gerade einen Vorstoß vor, der neuen Demokraten-Regierung die Zuständigkeit für die Kontrolle der Parteienfinanzierung zu entziehen. Die Argumente sind überall ähnlich: Ein linker Gouverneur verkörpere nicht die wahren Werte des Bundesstaats.
Problematische Schwachstelle
Tatsächlich besitzen die Republikaner im Parlament von Wisconsin weiter eine Mehrheit. Ob diese jedoch repräsentativ für die Bevölkerung ist, erscheint zweifelhaft. Die Republikaner haben in der Vergangenheit nämlich den Zuschnitt der Wahlbezirke so manipuliert, dass ihre Partei in den meisten Distrikten eine sichere Mehrheit hat. Dieses sogenannte Gerrymandering steht seit langem in der Kritik. Bei einer landesweiten Gouverneurswahl fällt der Effekt weg. Wenn das Parlament nun durch die Hintertür die Befugnisse des direkt gewählten Regierungschefs beschneidet, beleuchtet das schlaglichtartig eine problematische Schwachstelle des amerikanischen Wahlsystems.
„Machthungrige Politiker haben weitreichende Änderungen unserer Gesetze durchgepeitscht, um ihre eigene Macht auszubauen und den Wunsch der Bürger von Wisconsin, die eine Veränderung wollten, zu überstimmen“, beklagt sich Wahlsieger Evers. Seinen noch vier Wochen amtierenden Amtsvorgänger Scott Walker hat er aufgefordert, den Coup durch sein Veto zu verzichten. Doch der hartgesottene Republikaner denkt gar nicht daran.