Sie haben sich von Anfang an gut verstanden. Matthias Platzeck war noch Oberbürgermeister in Potsdam und Klaus Wowereit gerade zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt worden, als die beiden sich im Sommer 2001 in einem Berliner Restaurant verabredeten, um sich kennenzulernen.
Zwei aufstrebende Sozialdemokraten, nahezu gleich alt, zwei benachbarte Städte und ein gemeinsamer Flughafen, der allerdings erst noch gebaut werden musste. „Wir haben ohne langen Anlauf einen sehr freundschaftlichen Umgang gefunden“, erzählte Wowereit später. Und fügte zufrieden hinzu: „Ein so gutes Verhältnis ist in der Politik ungewöhnlich.“
Mittlerweile hat diese Männerfreundschaft erheblich gelitten, wenn es sie überhaupt noch gibt. Nachdem Platzeck angekündigt hat, er werde sich für eine Ausweitung des Nachflugverbotes auf dem neuen Flughafen im Südosten der Hauptstadt starkmachen, herrscht dicke Luft zwischen Berlin und Brandenburg.
Er habe kein Verständnis dafür, dass Platzeck sich hier „im wahrsten Sinne des Wortes vom Acker macht“, tobt Wowereit. Sein früherer Intimus aber kontert kühl: „Ich gehe nicht vom Acker. Ich gehe auf den Acker.“ Als Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft habe er auch dafür zu sorgen, dass die Menschen in der Region mit dem Projekt leben können.
Vordergründig geht es im Streit der beiden um die Frage, ob der Pannenflughafen noch wirtschaftlich zu betreiben ist, wenn zwischen 22 Uhr und sechs Uhr keine Maschinen starten und landen dürfen. Nach den bisherigen Planungen soll in Zukunft nur zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens Ruhe am Himmel herrschen, was viele Anwohner in Brandenburg so empört, dass sie ein Volksbegehren erzwungen haben.
Ohne Rücksprache mit Wowereit hat Platzeck sich an die Spitze dieser Bewegung gesetzt und im Prinzip die Argumentation der Bürgerinitiative übernommen. Er will im nächsten Jahr als Ministerpräsident wiedergewählt werden und fürchtet ein „Bollwerk des Widerstandes“ rund um den Flughafen.
Wowereit dagegen treibt die Sorge um, dass der ein noch größeres Zuschussgeschäft wird, wenn durch ein ausgedehntes Nachtflugverbot plötzlich Tausende fest eingeplanter Flüge im Jahr fehlen. Wenn ab zehn Uhr niemand mehr fliegen dürfe, polterte er unlängst in einem Radiointerview, „dann ist das ein Provinzflughafen“.
Lange Zeit war der Flughafen „Berlin Brandenburg International“ vor allem sein Projekt. Nach den vielen Pannen am Bau, den Fehlplanungen, der Kostenexplosion und dem Verschieben des Eröffnungstermins auf unbestimmte Zeit hat Berlins Bürgermeister allerdings nicht nur sein Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrates an Platzeck verloren – auch die Stimmung in der Hauptstadt ist gekippt. Seit Monaten befinden sich Wowereits Popularitätswerte im freien Fall, während sein umtriebiger Nachbar Platzeck dabei ist, sich zum zweiten Mal in seiner Karriere einen Namen als besonnener, zupackender Krisenmanager zu machen.
Nach der Oderflut 1997, die dem damaligen Umweltminister den anerkennenden Spitznamen „Deichgraf“ einbrachte, könnte der 59-Jährige nun der Mann sein, der das Flughafenchaos beseitigt.
Ob Wowereit deshalb so gereizt reagiert? Es gibt Parteifreunde, die behaupten, er habe sich mit dem neuen Flughafen selbst ein Denkmal setzen wollen. Nun allerdings bekommt er bei jeder Gelegenheit zu spüren, dass er nicht mehr Herr des Verfahrens ist.
Hinter den Kulissen habe Platzeck bereits einiges in Bewegung gebracht, lobt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Und er lässt damit seinen Vorgänger Klaus Wowereit noch schlechter dastehen als das ohnehin schon der Fall ist“, heißt es. Zur geplanten Unterzeichnung des Arbeitsvertrages mit dem neuen Chefberater der Betreibergesellschaft, dem früheren Frankfurter Flughafenchef Wilhelm Bender, war der Regierende Bürgermeister von Berlin in dieser Woche schon gar nicht mehr eingeladen. Sein Einfluss allerdings reichte immerhin noch so weit, dass der Termin noch einmal verschoben wurde.
Nachtflugverbot
Die Bauarbeiten am künftigen Hauptstadtflughafen sollen im Spätsommer wieder Fahrt aufnehmen. Derzeit sind auf der größten Baustelle Ostdeutschlands nur 200 bis 300 Arbeiter täglich im Einsatz, wie Technikchef Horst Amann sagte. „Wir haben keinen Stillstand, aber es geht nur moderat voran.“ Bis zum Juni oder Juli laufe eine Bestandsaufnahme. Anschließend werde mit den Firmen über Restarbeiten und Mängelbeseitigung verhandelt. „Dann werden wieder richtig Leute auf die Baustelle kommen.“ Auch einen neuen Eröffnungstermin werde er frühestens dann nennen, sagte Amann.
Brandenburgs Landtag schloss sich der umstrittenen Forderung des Ministerpräsidenten und Flughafen-Aufsichtsratschefs Matthias Platzeck (SPD) nach mehr Nachtruhe an. Die Abgeordneten nahmen mit großer Mehrheit ein entsprechendes Volksbegehren an. Die Initiatoren streben ein Flugverbot von 22 bis 6 Uhr an. Bisher soll ein Verbot von Mitternacht bis 5 Uhr gelten. Platzeck legte sich nicht auf Uhrzeiten fest. Es gehe um einen sinnvollen Kompromiss, sagte er. Amann warnte dagegen davor, das geplante Nachtflugverbot auszuweiten. TEXT: dpa