Die österreichische Regierungspartei FPÖ und die schlagenden Burschenschaften sind offenbar nicht voneinander zu trennen. Das wird der Akademikerball in der Wiener Hofburg am Freitagabend zeigen, auf dem Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) und etliche seiner Regierungskollegen tanzen werden. Traditionell nehmen ausländische Rechtsextreme teil. Gegendemonstrationen sind bereits angekündigt.
Manche Ballbesucher wird kaum schockieren, dass es in Österreich Burschenschaften gibt, die Liedgut aus der NS-Szene verbreiten. Doch große Teile der Öffentlichkeit empört, dass in einem Liederbuch der schlagenden Burschenschaft Germania aus dem Jahr 1997 neben anderen SS-Liedern antisemitische Zeilen stehen, die den Holocaust verharmlosen. Im Holocaust wurden sechs Millionen Juden ermordet.
Die Veröffentlichung hat die österreichische Regierung unter Zugzwang gesetzt, denn der langjährige Vizechef der Germania, Udo Landbauer, ist Spitzenkandidat der FPÖ im niederösterreichischen Landtagswahlkampf. Am Sonntag kämpft Ministerpräsidentin Johanna Mikl-Leitner dort um ihre absolute Mehrheit. Falls die nicht gesichert werden kann, möchte Landbauer mitregieren.
Bundespräsident Alexander van der Bellen sagte schon am Mittwoch in Straßburg, er habe nicht geglaubt, dass es möglich sei, „auf diese Weise in einem Lied den Massenmord zu verhöhnen“. Er glaube nicht, dass Landbauer davon nichts gewusst habe, wie dieser behauptet. „Das müssen ja alle Mitglieder dieser Burschenschaft gewusst haben, was in diesem Liederbuch gestanden ist, auch der Vizeobmann muss das gewusst haben.“
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte am Donnerstag: „Wer für so etwas verantwortlich ist, solche Lieder singt oder diese Inhalte verbreitet, der agiert nicht nur abscheulich antisemitisch und verhetzerisch, sondern macht sich in diesem Land auch strafbar.“ Die volle Härte des Gesetzes sei notwendig. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits wegen „Wiederbetätigung“ und „Verhetzung“.
FPÖ-Chef Strache nahm Landbauer in Schutz, der seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft als ruhend dargestellt hat. Er habe sich ausreichend distanziert und ihm versichert, die Texte nicht gekannt zu haben. Sie seien im Liederbuch geschwärzt gewesen. Auf seiner Facebook-Seite postete Landbauer am Mittwoch: „Jetzt erst recht.“
FPÖ spielt Vorgang herunter
Die Führung der FPÖ spielt den Vorfall herunter, indem sie jetzt den Verantwortlichen für den Druck des Liederbuches an den Pranger stellt. Dieser sei bekannt und werde sich den Behörden stellen, teilte FPÖ-Innenminister Herbert Kickl mit.
Die Germania ist eine kleine Burschenschaft für Männer, die in Wiener Neustadt zur Schule gehen. Im Ort liegt die Militärakademie, eine Oberschule, die eigentlich geschlossen werden sollte, nach Regierungsbeteiligung der FPÖ jetzt aber weitergeführt wird.
Das Dokumentationsarchiv für den österreichischen Widerstand hält den Vorfall für die Spitze eines Eisberges. Die Wiener Israelitische Kultusgemeinde nahm am Donnerstag nicht an einer Holocaust-Gedenkveranstaltung des Parlaments teil. Sie boykottiert Feiern mit der FPÖ grundsätzlich.