Dominic Raab darf als Gewohnheitsmensch bezeichnet werden. Er vermeidet es, Risiken einzugehen, zumindest wenn es sich um gastronomische Vorlieben handelt. Sogar ein Menü einer Sandwich-Kette ist inoffiziell nach ihm benannt. Wer in der Filiale in Westminster das Dominic-Raab-Gericht ordert, bekommt ein Baguette, belegt mit Hühnchen, Caesar-Salat und Speck, dazu gibt es einen Obstsalat und einen Wassermelonen-Smoothie. Vor einigen Monaten steckte eine Mitarbeiterin seines Büros der Presse, dass der 44-Jährige täglich mittags dasselbe bestelle. Sie empfand die einseitige Ernährungsweise des seinerzeitigen Staatssekretärs für Wohnungsbau als „seltsam“.
Mittlerweile ist Dominic Raab Brexit-Minister. Premierministerin Theresa May setzte ihn vor knapp zwei Monaten auf den Posten, nachdem sein Vorgänger David Davis aus Protest gegen die Brexit-Linie der Regierungschefin zurückgetreten war. Seitdem bereitet der erklärte EU-Skeptiker die Bevölkerung vor allem mit Notfallplänen auf den Fall einer Scheidung ohne Abkommen vor. Denn mit dem Aufstieg von Raab kam zugleich die Abwertung seines Amts. May riss die Verhandlungen an sich. Raab dagegen muss den Regierungskurs vor allem verteidigen und auf der Insel für ihn werben – auch im Parlament, wo es gärt und brodelt.
Der liberale Konservative Raab, der als Hoffnungsträger bei den Tories gilt, wurde in der südenglischen Grafschaft Buckinghamshire als Sohn einer anglikanischen Mutter und eines jüdischen Vaters geboren, der 1938 als Kind aus dem heutigen Tschechien vor den Nazis nach Großbritannien geflohen war. Nach einem Jurastudium an den Elite-Universitäten Oxford und Cambridge begann er eine Karriere als Rechtsanwalt, bevor er im Jahr 2000 in den diplomatischen Dienst eintrat. Er arbeitete einige Zeit in Den Haag, wo er die Verfolgung von Kriegsverbrechern unterstützte, sowie im Außenministerium in London.
2006 folgte der Wechsel in die Politik. Der begeisterte Kampfsportler diente zunächst im EU-Referat. Sein damaliger Mentor hieß ausgerechnet David Davis. Vier Jahre später schaffte er den Sprung ins Unterhaus. Er sei „höchst kompetent, über alle Themen hinweg . . . und ein Pragmatiker“, lobte eine Kabinettskollegin.
Dass er sich für den Austritt aus der EU starkgemacht hat, begründete Raab mit dem Recht auf Selbstbestimmung und einem „kaputten“ Einwanderungssystem. Man könne ein stolzer Europäer sein, „aber nicht Mitglied des politischen Klubs sein wollen“. Dass er sowohl bei EU-Skeptikern als auch Europafreunden in der Partei beliebt ist, dürfte einer seiner größten Pluspunkte sein. Seine Chancen als möglicher Premierminister dürften von seinem Erfolg als Brexit-Minister abhängen. Foto: dpa