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BERLIN/ERFURT
Eine Wahl mit vielen Fragezeichen
Von Stefan Lange, Christian Grimm und Henrike Mielke
 |  aktualisiert: 09.11.2019 02:11 Uhr

Kurz vor Schließung der Wahllokale in Thüringen färbte sich der Himmel über Berlin tiefrot. Ein Wink? Denn nach 18 Uhr, als die ersten Prognosen kamen, war klar: Tiefrot, die Linkspartei, hatte in Thüringen mit deutlichem Vorsprung vor CDU und SPD gewonnen. Doch nicht nur für die beiden ehemaligen Schwergewichte im Parteienspektrum war es ein bitterer Abend. Die Grünen konnten in Thüringen nicht vom bundesweiten Höhenflug profitieren. Selbst wenn die FDP wieder in den Landtag einziehen sollte, wonach es am Abend aussah, reicht es für die Parteien der Mitte nicht für eine Regierungsmehrheit.

Im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale in der Hauptstadt, blieb manchem Christdemokraten die Thüringer Bratwurst im Halse stecken: CDU-Landeschef Mike Mohring hatte als Hoffnungsträger den Schwung aus den Umfragen nicht retten können. Für die CDU und ihre Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ist das Ergebnis ein Desaster. AKK ist ohnehin angeschlagen, der Stimmenverlust von 33,5 Prozent anno 2014 auf etwa 22 Prozent in diesem Jahr schwächt ihre Position weiter. Dabei war die CDU bei der letzten Wahl noch stärkste Partei geworden – auch wenn es nicht zur Regierungsbeteiligung reichte und mit Bodo Ramelow ein Linker Landeschef wurde.

Ein „bitterer Tag für die CDU“

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach von einem „bitteren Tag“ für die CDU und betonte, es werde „keine Koalition der CDU mit der Linkspartei oder der AfD geben“. Schuldzuweisungen vermied Ziemiak erwartungsgemäß, doch hinter den Kulissen grummelte es gewaltig. „Natürlich ist die Syrien-Sache mit schuld“, sagte ein langgedienter christdemokratischer Abgeordneter. Er spielte damit auf Kramp-Karrenbauers Vorschlag zur Einrichtung einer Schutzzone in Syrien an, für den die Verteidigungsministerin wegen Form und Inhalt viel Kritik einstecken musste.

Für die SPD kam es ähnlich dick. Die Sozialdemokraten mussten etwa ein Drittel der Stimmen abgeben und stürzten auf acht Prozent ab. Bundesfinanzminister Olaf Scholz bedauerte das enttäuschende Ergebnis mit betretener Miene. „Das Ergebnis ist nicht schön“, sagte er in der ARD. Thüringen stehe vor der „großen Herausforderung“, eine Regierung zu bilden. Was das schwache Abschneiden mit der Großen Koalition im Bund zu tun habe, wollte er nicht beantworten. Scholz schloss aus, dass die AfD an der Regierung beteiligt wird. „Die AfD gehört nicht in eine Regierung.“

Grünen-Chef Robert Habeck zeigte sich angesichts des mageren Abschneidens seiner Partei sichtlich enttäuscht. Zu einer möglichen Regierungsbeteiligung wollte er sich nicht äußern, plädierte im ZDF aber dafür, „die Ausschließeritis“ unter den demokratischen Parteien zu beenden. FDP-Chef Christian Lindner näherte sich dem an und erklärte, die Liberalen seien „in der Sache immer gesprächsbereit“. Eine Koalition mit der Linkspartei schloss Lindner im ZDF aus, nicht aber die Tolerierung einer Minderheitsregierung.

Linke und AfD jubeln

In der Berliner Parteizentrale der Linken war der Jubel grenzenlos. Der sonst eher zurückhaltende Parteichef Bernd Riexinger kam aus dem Grinsen nicht heraus und wertete den Wahlerfolg als Belohnung dafür, dass die Linken in Thüringen „einen klaren Kurs für soziale Gerechtigkeit“ gefahren hätten. Die Partei werde so weitermachen – „Gewerkschaften stärken und Flächentarifverträge zur Normalität machen“. Für Riexinger hat der Sieg eine besondere Bedeutung: „Wir haben im Osten wieder eine Wahl gewonnen, das wird die ganze Bundespartei stärken.“

In Erfurt gab sich Bodo Ramelow kämpferisch. „Der Regierungsauftrag ist ganz eindeutig bei meiner Partei. Ich werde den Auftrag auch annehmen“, sagte er. Dass die AfD ihr Ergebnis verdoppeln konnte, versuchte der Regierungschef kleinzureden. Immerhin 76 Prozent der Wähler hätten die Partei nicht gewählt. Ramelow machte allen Parteien außer den Rechtsauslegern das Angebot, über mehr Minderheitenrechte im Thüringer Landtag zu verhandeln.

Die AfD konnte nach der Verdoppelung ihres Ergebnisses vor Kraft kaum laufen. Parteisprecher Jörg Meuthen erklärte im ZDF, er sei mit dem Ergebnis „hochzufrieden“. Seine Partei habe ihre Ziele „durch und durch erreicht“. Meuthen sprach von „ehemaligen Volksparteien im Niedergang“ und verwies darauf, dass CDU und SPD zusammen nur noch 30 Prozent geholt hätten. Der Wahlerfolg seiner Partei sei ein „Aufstieg der AfD im bürgerlichen Lager“.

Landtagswahl in Thüringen - AfD       -  Zufrieden: der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Björn Höcke
Foto: Jens Büttner, dpa | Zufrieden: der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Björn Höcke
 
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