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ATHEN/DRESDEN
Eine Rückkehr zur Drachme wäre problematisch
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 29.05.2015 19:32 Uhr

Der Mann, der Griechenlands Ausstieg aus dem Euro organisieren müsste, ist skeptisch. Auch wenn der Regierung in Athen das Geld schon in der nächsten Woche ausgehen sollte: Für die Rückkehr zur Drachme oder die Einführung einer neuen Währung kalkuliert Giannis Stournaras, der Präsident der Notenbank, mit einer Vorbereitungszeit von acht bis neun Monaten – viel zu viel für eine schnelle Lösung. In einem Gespräch mit mehreren Bundestagsabgeordneten der Union warb der 58-Jährige deshalb nachdrücklich für einen Verbleib des Landes im Euro. Andernfalls, warnte er, stehe womöglich sogar die Mitgliedschaft der Griechen in der EU auf dem Spiel.

Einer, der mit am Tisch saß, ist der Allgäuer CSU-Mann Stephan Stracke. Nach seinen Gesprächen mit Politikern, Gewerkschaftern und Wirtschaftsvertretern in Athen fällt er ein vernichtendes Urteil über die Regierung von Alexis Tsipras: „Hier sind politische Amateure am Werk.“ Am Ende, ahnt er, werde der Ministerpräsident zwar eine Übereinkunft mit Griechenlands Gläubigern unterschreiben, die ihm wieder etwas Spielraum verschafft. „Die Frage ist aber, ob die dann tatsächlich umgesetzt wird.“ Schon bisher habe das Land Abmachungen immer nur als eine Art Orientierungshilfe betrachtet und fest vereinbarte Reformen nur schleppend bis unzureichend angepackt.

Eine Generation bis zur Ordnung

Entsprechend ernüchternd klingt denn auch die Rechnung, die der frühere Finanzminister Stournaras seinen Besuchern aus Berlin präsentierte: Bereits am kommenden Freitag, wenn 300 Millionen Euro an Zinsen für den Internationalen Währungsfonds fällig sind, könnte Griechenland in den Staatsbankrott schlittern.

Insgesamt benötigt die Regierung im kommenden Juni noch knapp 1,6 Milliarden für ihren Schuldendienst – Geld, das sie im Moment nicht hat und sich noch über Jahrzehnte leihen muss. Bis die Verhältnisse halbwegs geordnet seien, sagt Stracke, werde nach den Worten von Stournaras vermutlich eine ganze Generation vergehen.

Obwohl die Zeit drängt, ist das Taktieren der Griechen auch finanzpolitischen Profis wie Wolfgang Schäuble noch immer ein Rätsel. Aussagen von Finanzminister Giannis Varoufakis, nach denen seine Regierung in den Verhandlungen mit ihren Geldgebern in Brüssel Fortschritte erzielt hat, kommentierte der deutsche Finanzminister am Rande des G7-Treffens in Dresden mit hintersinnigem Spott: „Die positiven Nachrichten aus Athen spiegeln sich noch nicht vollständig im Gesprächsstand wider.“ Soll heißen:

So schnell fließen die 7,2 Milliarden Euro aus dem letzten Hilfspaket nicht. Verweigere sich die griechische Regierung dem Reformprozess, sekundiert Klaus Regling, der Chef des so genannten Rettungsschirmes, könnten die Opfer der Griechen möglicherweise umsonst gewesen sein. Lohn- und Rentensenkungen seien zwar schmerzhaft, aber unumgänglich gewesen.

Geopolitische Dimension

Die Französin Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, hat in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zwar schon einen Austritt der Griechen aus der Euro-Zone, den so genannten Grexit, in den Bereich des Möglichen gerückt – so weit aber will in der Bundesregierung noch niemand denken. Nach einem Telefonat von Angela Merkel mit Tsipras und dem französischen Präsidenten François Hollande bekräftigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag das Ziel der Kanzlerin, Griechenland im Euro zu halten: „Darauf arbeiten wir hin.“

Eine Woche vor dem Gipfel der führenden Wirtschaftsnationen in Elmau steht das Thema weder auf der offiziellen Tagesordnung der Staats- und Regierungschefs noch auf der ihrer Finanzminister in Dresden – nachdem Tsipras zuletzt jedoch demonstrativ die Nähe zu Russland und China gesucht hat, ist die Schuldenkrise des Nato-Landes Griechenland fast zwangsläufig zu einem geopolitischen Thema geworden. Spekulationen über eine Art Ultimatum, das die Geldgeber der Regierung in Athen noch am Wochenende wollen, wurden bisher zwar nicht bestätigt. Bei seinen vielen Gesprächen in Griechenland allerdings hat der Abgeordnete Stracke vor allem eines gelernt: „Es muss jetzt sehr, sehr schnell gehen.“

 
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