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BRÜSSEL
Eine Reform der EU ist nicht mehr tabu
Britain EU Referendum       -  Nach dem Referendum der Briten ist aus Sicht vieler EU-Politiker eine Umgestaltung der Gemeinschaft notwendig.
Foto: Facundo Arrizabalaga, dpa | Nach dem Referendum der Briten ist aus Sicht vieler EU-Politiker eine Umgestaltung der Gemeinschaft notwendig.
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:51 Uhr

In Großbritannien wurde am Donnerstag noch fleißig gewählt, da zeichnete sich bereits ab, welche Diskussion die EU ab dem heutigen Freitag führen würde: „Wir müssen einen langen, harten Blick auf die Zukunft der Union werfen“, gab Ratspräsident Donald Tusk die Richtung vor. „Wir wären Narren, wenn wir ein Warnsignal wie das britische Referendum ignorieren würden.“ Und zwar unabhängig vom Ausgang, sollte man hinzufügen.

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Auch der Chef der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament, der frühere belgische Premier Guy Verhofstadt, sagte deutlich: „Was auch immer passiert, es ist klar, dass wir die EU reformieren müssen. Wir sollten diesen Moment nutzen, um einen grundlegenden Wandel einzuleiten.“ Sogar von einem neuen Verfassungskonvent ist die Rede, für den Verhofstadt das Startdatum 25. März 2017 im Sinn hat – der 60. Geburtstag der Union.

Doch zunächst, so war am Donnerstag absehbar, wird man am heutigen Freitag auf Krisendiplomatie setzen. Am späten Vormittag wollen die Präsidenten Tusk (Europäischer Rat), Jean-Claude Juncker (Kommission), Martin Schulz (Parlament) und Mark Rutte (EU-Vorsitz und Premier der Niederlande) zusammenkommen, um ein kurzes Statement abzugeben.

Auch die Staats- und Regierungschefs der sechs Gründerstaaten Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, Luxemburg und Niederlande dürften sich wohl am Mittag zu Wort melden und an die Werte der Union erinnern. Die Außenminister tagen in Luxemburg, um dort eine Erklärung zu verabschieden, in der das Ergebnis akzeptiert und die Einigung Europas betont wird. Dann marschiert man weiter. Auch der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, plant einige klare Worte, um Ausschläge an den Börsen zu vermeiden und die Stabilität des Euro zu versprechen. Parlamentspräsident Martin Schulz hat einige Abgeordnete beauftragt, ihm zwei Vorlagen für eine Resolution auszuarbeiten.

Am kommenden Dienstag sollen die Volksvertreter in einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses Europas Zusammenhalt unterstreichen. Ob Schulz deutlichere Worte findet, war am Donnerstag noch offen.

Allerdings heißt es in Brüssel, der SPD-Politiker habe Sympathien für den Gedanken an einen neuen Konvent, um deutlich zu machen, dass „die EU aus ihren Fehlern lernt“. Doch noch fehlt dazu vor allem die christdemokratische Mehrheit, um einen solchen Plan durchzusetzen.

In deren Reihen grassieren Befürchtungen, man könnte sich einen jahrelangen zersetzenden Prozess um die künftige Gestaltung des Staatenbundes einhandeln und auch den EU-Skeptikern Angriffspunkte bieten.

Schließlich müsste ein neuer Vertrag nicht nur in jedem Mitgliedsland ratifiziert werden.

Es könnten auch weitere Volksabstimmungen nötig werden – beispielsweise in den Niederlanden. Und deren Ausgang sei höchst ungewiss, heißt es.

Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Jo Leinen, der bei den Beratungen des Lissabonner Vertrages bis 2005 dabei war, sieht in einem Konvent jedenfalls ein Forum, um „gegen die Kräfte der Zerrüttung etwas zu tun“.

Es sei „nicht so wichtig, einen neuen Vertrag zu schreiben“, sagte er gegenüber dieser Redaktion. Aber in einem solchen Kreis aus europäischen und nationalen Delegierten ließen sich „sehr große Mehrheiten herstellen – für eine bessere EU und eine Weiterführung der europäischen Einigung“.

 
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