In zwei Wochen wollen die Vorsitzenden der rund 130 katholischen Bischofskonferenzen mit Papst Franziskus und der Kurie im Vatikan über sexuellen Missbrauch und „Kinderschutz“ diskutieren. Ein gewichtiger Aspekt des Themas kommt dabei erst jetzt zum Vorschein: der Missbrauch von Ordensschwestern durch katholische Priester und Bischöfe.
„Es gibt Priester und auch Bischöfe, die das gemacht haben. Und ich glaube, es wird immer noch gemacht“, sagte Papst Franziskus auf dem Rückflug seines Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten. „So etwas hört ja nicht auf, sobald man es merkt. Die Sache geht so weiter“, behauptete der Papst.
Oberinnen riefen zum Ende des Schweigens auf
Franziskus sprach in seiner Antwort auf eine Frage mitreisender Journalisten über ein Phänomen, das die katholische Kirche bislang weitgehend ignoriert. Langsam scheint Bewegung in die Thematik zu kommen. Im November hatte die Internationale Vereinigung der Generaloberinnen katholischer Ordensinstitute Nonnen dazu aufgerufen, Missbrauch anzuzeigen und beklagte die „Kultur des Schweigens“ in der Kirche. Die rund 2000 Oberinnen vertreten etwa 500.000 Ordensschwestern weltweit. In seiner Februar-Ausgabe hatte das Magazin „Frauen, Kirche, Welt“, eine Beilage der Vatikanzeitung „L'Osservatore Romano“, ebenfalls zum Thema Stellung genommen.
Die Historikerin Lucetta Scaraffia schrieb dort: „Die jahrhundertealte Kultur innerhalb der kirchlichen Institution, derzufolge die Frau als gefährlich und verführerisch dargestellt wird, lässt die Gewalt, auch wenn sie angezeigt wird, als von beiden Seiten freiwillig begangene sexuelle Überschreitung erscheinen.“ Diese Analyse teilt offenbar auch Papst Franziskus, der von einem „kulturellen Problem“ sprach. „Ich wage zu behaupten, die Menschheit ist noch nicht reif“, sagte Franziskus. „Frauen gelten als Menschen zweiter Klasse.“ Der Papst wies darauf hin, dass das Problem in einigen Regionen der Welt stärker ist. Zu diesen Regionen gehören Afrika und Asien.
Vorwürfe gegen einen Bischof in Indien
Aus der jüngeren Vergangenheit sind vor allem zwei Fälle bekannt, in denen sich Priester an Nonnen vergangen haben sollen. Im September wurde der Bischof der nordindischen Diözese Jalandhar wegen Vergewaltigungsvorwürfen verhaftet. Eine 44-jährige Nonne hatte Franco Mulakkal bei der Polizei angezeigt und beschuldigt, sie in einem Konvent in Südindien zwischen 2014 und 2016 dreizehn Mal vergewaltigt zu haben.
Die betroffene Ordensschwester soll eine 72 Seiten lange Dokumentation an mehrere kirchliche Stellen und schließlich an den Vatikan geschickt, darauf aber keine Antwort bekommen haben. Anschließend ging sie zur Polizei. Wie es heißt, wurden mehrere Zeugen bedroht, ein Priester kam sogar ums Leben. Drei weitere Schwestern erheben Vorwürfe gegen den Bischof. Mulakkal, der sein Amt vorübergehend niederlegte, ist inzwischen gegen Kaution auf freiem Fuß.
Erst vergangene Woche war ein hoher österreichischer Geistlicher im Vatikan von seinem Amt zurückgetreten. Die ehemalige deutsche Ordensschwester Doris Wagner hatte Pater G., dem bisherigen Leiter der theologischen Abteilung in der Glaubenskongregation, vorgeworfen, von ihm im Jahr 2009 im Beichtstuhl bedrängt worden zu sein. G., der wegen zwei Vorgängen vom Vatikan abgemahnt worden sein soll, wies die Vorwürfe zurück, bat aber um seine Entlassung. Wagner und G. gehörten der geistlichen Gemeinschaft „Das Werk“ an. Wagner beschuldigt einen weiteren Angehörigen des Ordens, sie im Jahr 2008 in Rom über Monate hinweg vergewaltigt zu haben.
Schon in den 1990er Jahren gab es Berichte
Papst Franziskus sagte nun, sein Vorgänger Benedikt XVI. habe sich bereits als Kardinal für die Schließung eines Instituts eingesetzt, in denen Frauen bis hin zur „sexuellen Versklavung“ misshandelt worden seien. Als Papst soll Joseph Ratzinger dann gegen die französische „Gemeinschaft der Schwestern des Heiligen Johannes“ vorgegangen sein.

Wie lange das Thema der sexuellen Gewalt gegen Frauen in der Kirche schon nicht ernst genommen wurde, zeigen zwei Berichte aus den 1990er Jahren. 1995 erstattete die Entwicklungshelferin und Ordensschwester Maura O'Donohue dem Vatikan Bericht über Missbrauch gegen Ordensschwestern in 23 Ländern, darunter Indien, Irland, Italien, die Philippinen, die USA und mehrere afrikanische Staaten. Einen zweiten Bericht fertigte 1998 die Ordensfrau Marie McDonald an und folgerte: „Sexuelle Belästigung und sogar die Vergewaltigung durch Priester und Bischöfe sind häufig.“ Der Vatikan bekam beide Berichte, beließ es aber in vielen Fällen bei generellen Ermahnungen.
Missionar spricht von einer „Bombe“
Im Januar berichtete die französische katholische Tageszeitung „La Croix“ über sexuellen Missbrauch von Nonnen in der Kirche. Elemente, die den Missbrauch begünstigten, seien die Unterordnung der Frau in Gesellschaft und Kirche sowie ihre Geringschätzung innerhalb des Klerus. In Entwicklungsländern begünstige zudem die Angst vor HIV den sexuellen Missbrauch, da Kleriker sich sicherer wähnten, wenn sie Nonnen als Opfer wählten. Schließlich erleichtere auch die Abhängigkeit vieler Frauenorden von den Diözesen die Taten. „La Croix“ zitiert in diesem Zusammenhang auch einen anonymen afrikanischen Missionar mit den Worten: „Wenn wir eines Tages enthüllen müssten, was hier passiert, wäre das eine Bombe.“