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BRÜSSEL
Eine Monarchie hinter verschlossenen Türen
Die künftige Königsfamilie
Foto: BH | Die künftige Königsfamilie
Von unserem Korrespondenten Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:50 Uhr

Der Blick auf das Festprogramm des kommenden Sonntags offenbart Erstaunliches: Gebet in der Brüsseler Kathedrale, Militärparade, Feuerwerk. Ein Staatsfeiertag, wie ihn das Land seit seiner Gründung 1830 zum 183. Mal erlebt. War da noch was? Ach ja, morgens um zehn dankt der König ab. Ein paar Minuten später wird der neue im Parlament vereidigt. Keine Krönung, keine Inthronisation, kein Adel aus ganz Europa, keine ausländischen Staatsgäste, kein Festbankett – eine Monarchie, die hinter verschlossenen Türen stattfindet. Und der es wohl nicht einmal etwas ausmachen würde, wenn der royale Nachwuchs in Großbritannien ausgerechnet dann geboren und alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde.

Dabei täuscht der Eindruck eines „vergessenen Königs der Belgier“. Kein zweiter Monarch in Europa übernimmt mit seinem Amt dermaßen weitreichende politische Vollmachten wie der Herrscher über Flamen, Wallonen und die deutschsprachige Gemeinschaft an der Grenze zu Deutschland. Formell wird der neue Monarch Philippe auch Staatsoberhaupt der zehn Millionen Landsleute sein. Nach Wahlen ist es seine Aufgabe, den Regierungsbildner („Formateur“) zu ernennen und dessen Gesprächsergebnisse zu prüfen, ehe er einen Politiker mit der Zusammenstellung des Kabinetts beauftragt. Der scheidende Monarch Albert II. musste während der über 440 Tage dauernden Regierungskrise 2010/2011 die Politik immer wieder an ihre Verantwortung erinnern.

Anders als in Großbritannien, den Niederlanden oder Spanien trägt der König keine Rede vor, die ihm der Regierungschef zuvor in die Hand gedrückt hat. „Unser König ist ein Staatsmann“, heißt es sogar von Monarchie-kritischen Belgiern, diesseits und jenseits der Sprachengrenzen, die das Volk längst nicht mehr nur unsichtbar teilen.

Im Alltag fehlt ein höfisches Zeremoniell, das an den Pomp der Windsors oder der Oranjes erinnern könnte. Ein Flügel des königlichen Schlosses Laeken, in dem Albert II. viele seiner Empfänge abhielt, wurde zu einer Wohnung für die sechsköpfige Kronprinzenfamilie umgestaltet. Nicht wenige hohe Gäste berichteten von polternden Kinderschritten und hellen Stimmen, die Lieder sangen, gleich nebenan. Die belgischen Royals zelebrieren die Monarchie mit einer Normalität, die einerseits rührend ist, andererseits kaum Klatsch hergibt. Dass der künftige König Philippe seine Kinder morgens zur Schule und zur Kindertagesstätte fährt und Mama Mathilde sie am Nachmittag wieder einsammelt, gehört zum Alltag. Ebenso wie die Tatsache, dass das blaublütige Staatsoberhaupt künftig Steuern zahlen muss – 700 000 Euro im Jahr, die die Apanage von 11,3 Millionen Euro auf 10,5 Millionen schmälern. Unterhalt bekommen nur der Monarch und seine Familie. Die restliche Verwandtschaft muss ihr Geld selbst verdienen.

Es gibt Momente, in denen selbst die vielen Anti-Royalisten Belgiens ihre königliche Familie regelrecht verehren: Als im März 2012 ein Bus mit belgischen Schildern auf der Fahrt durch die Schweiz schwer verunglückte, standen Albert II. und Königin Paola am nächsten Morgen unangekündigt auf dem Rollfeld des Luftwaffenstützpunktes Melsbroek, um die Verwandten der Opfer vor der Reise an den Unfallort zu trösten. Schweigend und mit Tränen in den Augen gingen die beiden von einem zum anderen, schlossen sie in die Arme und hielten sie für einen Moment fest.

Nach den Morden des Kinderschänders Marc Dutroux lud die königliche Familie die Angehörigen ins Brüsseler Schloss, um mit ihnen zu trauern. Kronprinz Philippe und seine Frau Mathilde tauchen regelmäßig in Palliativzentren auf. Opfer von Eisenbahn-Unglücken, Naturkatastrophen oder Gewaltakten bekommen immer wieder Besuch von den Royals – ohne Fotografen, ohne Kameras, ohne Medienvertreter. All das ist den belgischen Blaublütern wichtiger als der Pomp anderer Königshäuser. Sie wollen nach innen und für ihre Landsleute wirken.

 
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